Der litauische Partisanenkampf im Lichte sowjetischer Akten

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Title
Der litauische Partisanenkampf im Lichte sowjetischer Akten
Identifier
BV013931403
Creator
Tegeler, Tillmann
has publication year
2001
Is Part Of
Mitteilungen OEI
volume
44
has URL
https://www.dokumente.ios-regensburg.de/publikationen/mitteilungen/mitt_44.pdf
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-63273-8
extracted text
OSTEUROPA-INSTITUT MÜNCHEN

Mitteilungen

Nr. 44

September 2001

TILLMANN TEGELER

Der litauische Partisanenkampf
im Lichte sowjetischer Akten

ISBN 3-921396-64-6

Scheinerstraße 11, D-81679 München, Tel. (089) 99839-442
Fax (089) 9810110, E-Mail Beyer-Thoma@lrz.uni-muenchen.de
Herausgeber: Hermann Beyer-Thoma

INHALTSVERZEICHNIS
A. EINLEITUNG...........................................................................................................5
B. HAUPTTEIL.............................................................................................................9
I. Die Unabhängigkeit in der Zwischenkriegszeit .........................................................9
1. Die Unabhängigkeit in der Zwischenkriegszeit ....................................................9
a. Die nationale Wiedergeburt..............................................................................9
b. Unabhängigkeit und territoriale Streitigkeiten...............................................10
2. Das Verhältnis des souveränen Litauens zur Sowjetunion .................................10
a. Der Moskauer Vertrag von 1920....................................................................10
b. Der Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag von 1926.................................11
c. Der gegenseitige Beistandspakt von 1939......................................................12
3. Das Ende der Unabhängigkeit ............................................................................13
a. Das zweite Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes.....................................13
b. Die erste sowjetische Besetzung ....................................................................14
4. Widerstand gegen totalitäre Okkupanten............................................................15
a. Sammlung im Exil..........................................................................................16
b. Die Entwicklung im Inneren ..........................................................................17
c. Hoffen auf das Ausland..................................................................................20
d. Der Aufstand vom Juni 1941 .........................................................................21
e. Unter deutscher Besatzung.............................................................................25
II. Der Beginn des litauischen Partisanenkampfes – unter besonderer
Berücksichtigung von Akten des Glavnoe Upravlenie NKVD SSSR
po bor’be s banditizmom (GUBB)..........................................................................28
1. Die Ablösung der Besatzungsmächte .................................................................28
a. Ende der deutschen Okkupation.....................................................................28
b. Die Rückkehr der Roten Armee.....................................................................29
2. Die Voraussetzungen für den Kampf der Litauer
gegen die sowjetische Besatzung .......................................................................31
a. Bewaffneter Kampf auf „verbrannter Erde“...................................................31
b. Militärische, personelle und ideelle Unterstützung........................................34
c. Personal, Alltag und Motivation des litauischen Widerstandes .....................37
3. Die Bekämpfung der litauischen Partisanen durch das NKVD – Akten
des GUBB als Beleg für dessen Bedeutung in der sowjetischen Politik............41
a. Geschichte der sowjetischen Geheimpolizei. Kurzer Lehrgang.....................42
b. Das Gesicht der „Banditenbekämpfung“ .......................................................44
c. Die „Enkavedisierung“ der Litauischen Sowjetrepublik................................45
d. Streng geheim – die Akten des GUBB...........................................................47
e. Anweisung Berijas an das GUBB zur Koordinierung
und Strukturisierung der „Banditenbekämpfung“ .........................................49
f. Die Konzentration der Anstrengungen

Anordnungen Kobulovs zur Bündelung der Kräfte.......................................55
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3

III. Auswirkungen des NKVD-Kampfes auf die litauischen Partisanen und seine
Bedeutung für das Ende des bewaffneten Widerstandes........................................ 59
1. Folgen der verschärften Partisanenbekämpfung ................................................ 59
a. Wiederaufnahme der Deportationen.............................................................. 59
b. Die Rückkehr aus dem Wald......................................................................... 60
c. Die Einteilung der Widerstandsgruppen nach Regionen ............................... 61
2. Der Kampf geht weiter... .................................................................................... 63
a. Der erneute Versuch einer zentralisierten Führung ....................................... 63
b. Kampf gegen die Sowjetisierung................................................................... 64
c. Konsolidierung und Kapitulation .................................................................. 66
3. Gründe für das Scheitern des Partisanenkampfes .............................................. 71
a. Erschöpfung und Realitätsferne..................................................................... 71
b. Mangel an Kampfkraft und Nahrung............................................................. 72
c. Innere und äußere Schwächen der Emigration .............................................. 73
IV. Forschungsstand – zwischen Verklärung und Verdrängung................................. 75
1. „Allein, ganz allein“ – die westliche Historiographie........................................ 75
a. Beginn der Geschichtsschreibung in der Emigration..................................... 75
b. Eine neue Generation..................................................................................... 76
2. „Der Kampf der Kommunistischen Partei“
– die sowjetmarxistische Blickrichtung............................................................. 78
a. Der Partisanenkrieg als Klassenkampf .......................................................... 78
b. Die „Istorija Litovskoj SSR“ ......................................................................... 79
3. Die postsowjetische Geschichtsschreibung........................................................ 80
a. Auf der Suche nach Identität.......................................................................... 80
b. Die russische Geschichtswissenschaft am Scheideweg................................. 81
c. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ als Objekt der Forschung .............. 82
4. Die Aktenlage zum litauischen Partisanenkampf............................................... 83
C. SCHLUSS .............................................................................................................. 85
D. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .......................................................................... 89
E. QUELLENVERZEICHNIS.................................................................................... 91
F. LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................ 92

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A. EINLEITUNG
In seinem Buch „Theorie des Partisanen“ bezeichnet Carl Schmitt das „Irreguläre“ als
charakteristisch für den Partisanen, wohingegen das „Reguläre“ das Heer eines fremden Eroberers kennzeichnet.1 Diese Terminologie bezieht sich auf eine kriegerische
Auseinandersetzung zwischen beiden Parteien – den sogenannten „Partisanenkampf“.
Während man für dasselbe Ereignis in Lateinamerika die Bezeichnung „Guerillakrieg“
anwendet, bezieht sich der Begriff „Partisanenkampf“ eher auf die Abwehr von Eindringlingen in bereits eroberten Gebieten in Europa. Insofern sind die Termini – bis
auf den geographischen Kontext – austauschbar. Weitere Wörter für die „irregulär“
Kämpfenden sind: Rebellen, Freischärler, Freiheits-, Untergrund- oder Widerstandskämpfer.
Was das „Irreguläre“ der Partisanen gegenüber dem „Regulären“ abgrenzt, ist einerseits die Struktur, andererseits ist es die Organisation der Kampfeinsätze. Dabei meint
„irregulär“ nicht unbedingt den spontanen Zusammenschluß zu Kampfzwecken, sondern eher die lose Organisationsform. Auch kann innerhalb der Partisaneneinheiten eine militärische Hierarchie existieren, doch ist sie weit weniger streng als in einer
„regulären“ Armee, da sich die Untergrundkämpfer meist freiwillig zusammenfinden,
um ihr persönliches Anliegen – Verteidigung des Besitzes oder der staatlichen Unabhängigkeit – durchzusetzen, während Soldaten eines „regulären“ Heeres an die Befehle
der Staatsspitze gebunden sind. Also ist die persönliche Identifikation der Motivator
des Kampfes, nicht die Entscheidungen anderer, durch deren Verweigerung man Gefahr läuft bestraft zu werden. Daß auch hier die Grenze zwischen den beiden erwähnten Armeeformen nicht immer eindeutig verläuft, zeigen Beispiele aus der Geschichte:
Der sowjetische Partisanenkampf gegen die deutsche Wehrmacht war vom Staat organisiert, verlor aber – da er sich hinter die Kampfeslinie verlagert hatte – den Kontakt
zu den Befehlshabern in der Sowjetunion; dennoch erhielt er sich aufrecht, da es die
Heimat gegen den äußeren Feind zu verteidigen galt. Auch konnte die Kollaboration
mit den Besatzern eine Verurteilung – bis hin zum Tod – nach sich ziehen, wie Ereignisse aus jedem Partisanenkrieg belegen. Dennoch wird man diese Kennzeichen einer
„regulären“ Armee, die von den „irregulären“ übernommen wurden, nicht als Beleg
dafür nehmen, um solchen Vorgängen die Bezeichnung „Partisanenkampf“ abzusprechen.
1 Schmitt, S.11.
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Guerillakriege oder Partisanenkämpfe sind oft Begleiterscheinungen von größeren
kriegerischen Konflikten. So gab es während des Zweiten Weltkrieges neben sowjetischen Partisanen auch die Kämpfer der französischen résistance oder Angehörige kleinerer Völker, die sich gegen die Besatzung durch die Deutschen zur Wehr setzten.
Gerade im ostmittel– und osteuropäischen Raum war man nicht gewillt, die zwanzig
Jahre zuvor errungene Unabhängigkeit zu verlieren. Dank der sowjetischen Erfolge im
„Großen Vaterländischen Krieg“ wurden diese Länder bald wieder vom Nazi-Joch
„befreit“. Nur daß jetzt nicht die Wehrmacht die Gebiete östlich der Elbe okkupierte,
sondern mit der Roten Armee eine neue Besatzungsmacht Einzug hielt. Hier stieß das
sowjetische Heer auf dieselben Kämpfer, die – teilweise zusammen mit ihm – den
Deutschen Widerstand geleistet hatten. Doch sahen sich die Untergrundkämpfer keineswegs als befreit an und waren nicht bereit, die neuen Herren in ihrem Land zu dulden. Vielmehr hoffte man auf den Westen, an dem man sich – nach einigen Wirrungen
– politisch zu orientieren begann. Dieser – hatte er erst einmal Nazideutschland besiegt
– sollte auch für die Niederringung der Sowjetunion sorgen – so die Erwartungen.
All diese Einstellungen – Ablehnung des Kommunismus, Orientierung an der westlichen Demokratie – weckte das Mißtrauen der Sowjets. Für sie waren die Unabhängigkeitskämpfer keine legitimen Vertreter der Interessen ihrer Völker, sondern
lediglich „Banditen“. Mit dieser Etikettierung versuchte die Sowjetmacht, den Freischärlern nicht nur ihr Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen, sondern sie auch in
der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Auf diese Art hatte man schon in den dreißiger
Jahren während der Säuberungen damit begonnen, unliebsame Systemgegner auszuschalten. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde zunächst der antisowjetische Untergrund, der teilweise mit den Nazis zusammengearbeitet hatte, als „Banditentum“
bezeichnet. Später ging der Name auf alle Gegner der Sowjetherrschaft über.
Beim NKVD hatte man eigens eine Abteilung zur Bekämpfung des Banditentums
eingerichtet. Dies macht deutlich, daß die Freiheitskämpfer ein ernstzunehmendes
Problem für die sowjetischen Sicherheitsorgane darstellten. Auch die Aufwertung, die
diese Abteilung während der Kriegsjahre erfuhr, deutet darauf hin, daß man des Widerstandes zunächst nicht Herr werden konnte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg
konnte man sich der Aufgabe in vollem Umfange widmen. Befehle von oberster Stelle
sollten dafür sorgen, daß jegliche Opposition im Keim erstickt würde. Doch war unmittelbar nach dem deutschen Vernichtungskrieg weder die Motivation, noch die Disziplin unter Rotarmisten und Čekisten groß, so daß die Partisanen ihre Geländevorteile
zu nutzen verstanden. Außerdem hatten sie einen großen Rückhalt in der Bevölkerung,
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die noch Hoffnung auf das Einschreiten der Westmächte hatte. Schließlich aber setzte
sich der Mythos der „unbesiegbaren Sowjetarmee“ gegen die Legende der „Waldbrüder“ durch. Nach jahrzehntelangem Kampf waren auch die letzten Partisanen verhaftet,
ermordet oder hatten aufgegeben.
Im katholischen Litauen, wo neben dem nationalen der religiöse Widerstand stärker
ausgeprägt war als in den orthodoxen oder protestantischen Nachbarländern, wird das
Andenken an die Partisanen gepflegt. Dabei läuft diese Erinnerung manchmal Gefahr,
verklärt zu werden und ihre Protagonisten als Helden zu verehren, die diese so im richtigen Leben nicht waren. Natürlich spricht die Dauer der Auseinandersetzung mit den
Sowjets dafür, daß es mutige Personen gab, die couragiert Paroli boten; doch hatte dieser Kampf zu einem Zeitpunkt, der heute in Litauen als Höhepunkt angesehen wird,2
bereits an der Intensität seiner Hochzeit eingebüßt.
In der vorliegenden Arbeit wird versucht, anhand von Quellen des sowjetischen
Nachrichtendienstes die Wirksamkeit seiner Abteilungen bei der „Banditenbekämpfung“ in den Jahren 1945 und 1946 darzustellen. Die Vorgeschichte der litauischsowjetischen Beziehungen nachzeichnend, soll dabei auch das ambivalente Verhältnis
dieser ungleichen Nachbarn beleuchtet werden, das Mitvoraussetzung für die Ereignisse der unmittelbaren Nachkriegszeit war. Im Anschluß an die Analyse der bearbeiteten
Dokumente werden die Gründe für das Scheitern des litauischen Widerstandes herausgearbeitet und der langsame Erfolg der sowjetischen Behörden untersucht. Das abschließende Kapitel gibt einen groben Überblick über den Forschungsstand in den betroffenen Ländern und dem Ausland. Darin wird auch auf den postsowjetischen
Umgang mit Akten im allgemeinen und mit dem besonderen Material zum „Banditentum“ eingegangen.
Dieses „Banditentum“ scheint im Osteuropa der Gegenwart noch nicht vernichtet
worden zu sein. Denn wenn man aufmerksam die russische Kommentierung des Feldzuges in Čečenien verfolgt, so trifft man auf dieselbe Terminologie in bezug auf die
Rebellen wie zu sowjetischen Zeiten, als das Wort „Bandit“ noch auf baltische Widerstandskämpfer gemünzt war. Bei allen Unterschieden der beiden Konflikte – der terroristische Hintergrund im Kaukasus spielt eine gewichtige Rolle, rechtfertigt aber nicht
die Verletzung der Menschenrechte – kann hier doch eine ideologische Kontinuität
zwischen der Sowjetunion und dem „neuen“ Rußland festgestellt werden.

2 Am 16. Februar 1999 wurde in Litauen der 50. Jahrestag der Gründung der Partisanenbewegung
LLKS feierlich begangen.
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Im folgenden werden auf die ostslavischen Bezeichnungen – soweit sie sich nicht im
deutschen Sprachgebrauch eingebürgert haben – die philologisch-wissenschaftlichen
Transliterationsregeln angewendet. Litauische Bezeichnungen werden beibehalten,
auch wenn für Orte deutsche Namen existieren, da im behandelten Zeitraum diese
Städte mehrheitlich von Litauern besiedelt und daher litauische Namen üblich waren.
In den Fußnoten ist lediglich der Autor mit Angabe der Seitenzahl der zitierten Stelle wiedergegeben. Das Buch, aus dem zitiert worden ist, ist im Literaturverzeichnis
aufgeführt. Bei Autoren, von denen die Ergebnisse mehrerer Werke in diese Arbeit
eingeflossen sind, geht die Eindeutigkeit der zitierten Publikation aus dem Zusatz des
Erscheinungsjahres hervor.
Die vorliegende Arbeit wurde nach den Rechtschreibregeln, die vor dem 1. August
1999 gültig waren, verfaßt.

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B. HAUPTTEIL

I. Die Unabhängigkeit in der Zwischenkriegszeit
1. Die Unabhängigkeit in der Zwischenkriegszeit
a. Die nationale Wiedergeburt
Das 19. Jahrhundert in Europa war geprägt von der Idee des Nationalismus, die seit der
Französischen Revolution das dynastische Ordnungsprinzip abzulösen begann. Auch
bei den Völkern der osteuropäischen Großreiche gewann dieses Streben nach nationaler Emanzipation zunehmend an Einfluß. Die einen träumten von der Wiedererlangung
längst verlorengegangener Größe, deren Erbe sie in den eigenen Volksmärchen wiederzufinden glaubten. Für andere war diese Zeit eine Periode, in der man zu sich selbst
gefunden hat und erst national erweckt worden ist, da man auf keine politische Vergangenheit zurückblicken konnte. So wurden verschiedene Organisationen gegründet,
die sich wegen der zunehmenden Assimilierungszwänge von Seiten der Titularnationen für die staatliche Unabhängigkeit der nationalen Minderheiten oder zumindest eine
kulturelle Autonomie innerhalb eines föderalistischen Staatsverbandes eintraten.3 Jedoch mußten einige dieser Nationen den Beginn des 20. Jahrhunderts abwarten, um
staatliche Souveränität zu erlangen. Zwar gab es Völker, die am Ende des 19. Jahrhunderts vom Zerfall des Osmanischen Reiches profitiert hatten, die meisten konnten aber
erst in den Verhandlungen zu den Friedensverträgen, die den Ersten Weltkrieg beendeten, ihre Ziele durchsetzen. Dabei halfen ihnen vor allem Exilanten des eigenen Volkes, die in den Delegationen der Siegermächte die Interessen der Minderheiten
nachdrücklich vertraten.
So bescherten das Ende des Ersten Weltkrieges und der damit einhergehende Zusammenbruch der Vielvölkerreiche sowie die Russische Revolution vielen kleinen
Völkern in Ost– und Südosteuropa – zum Teil erstmals – die staatliche Unabhängigkeit. Die Ablösung der großen Kaiserhäuser in Österreich-Ungarn, Deutschland und
Rußland bedeutete eine Zäsur zwischen dem monarchischen System vergangener
Jahrhunderte und der aus dem westeuropäischen Raum stammenden Idee der Demo-

3 Diese Gesellschaften wurden vor allem durch Exilanten im westlichen Ausland gegründet. Als Sammelbecken für Emigranten aus Rußland galt Frankreich, wo auch im Jahre 1912 die „ligue des nationalités de Russie“ unter dem Litauer Juozas Gabrys entstand. (Hösch, S.334).
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kratie. Doch wurden auch andere Wege hin zu einer staatlichen Neuordnung beschritten, wie das Beispiel der bolschewistischen Machtübernahme zeigt.
b. Unabhängigkeit und territoriale Streitigkeiten
Der größte Teil der souveränen Staaten entschied sich zunächst aber für die Demokratie; darunter auch die baltischen Länder, die durch den Friedensvertrag von BrestLitovsk am 3. März 19184 aus dem Verband Rußlands gelöst wurden und schließlich
auch gegenüber den im Land verbliebenen deutschen Truppen ihre Selbständigkeit
durchsetzten. Von diesen Ländern konnte einzig Litauen auf eine staatliche Tradition
zurückblicken. Jedoch hatte sich durch die polnisch-litauische Union ab der frühen
Neuzeit und den Anschluß an das Russische Reich nach den Polnischen Teilungen im
ausgehenden 18. Jahrhundert eine ethnische und kulturelle Heterogenität entwickelt,
die nach Erringung der Unabhängigkeit zu Feindschaften zwischen den neuen Staaten
führte. Es waren Mischgebiete entstanden, in denen verschiedene Völkerschaften zusammenlebten, darunter auch Angehörige von Nationen, die jetzt in Nachbarstaaten
die Mehrheit stellten. Dies führte dazu, daß eben solche Nachbarn Anspruch auf Gebiete erhoben, die mehrheitlich oder auch nur teilweise von ihren Landsleuten besiedelt waren. So kam es im April 1919 zur polnischen Besetzung von Vilnius, als
litauische Truppen im Kampf gegen die Bol’ševiki an der Düna gebunden waren.
Nachdem Vilnius zwischenzeitlich wieder in den Besitz Litauens gelangt war, eroberten die Polen trotz zuvor ausgehandelten Waffenstillstands am 9. Oktober 1920 erneut
die litauische Hauptstadt.5
2. Das Verhältnis des souveränen Litauens zur Sowjetunion
a. Der Moskauer Vertrag von 1920
Wohl aufgrund dieser Erfahrung dieser Situation sah Litauen Veranlassung, sich zumindest gegenüber dem sowjetrussischen Nachbarn abzusichern. Zu diesem Zwecke
schlossen beide Regierungen den Vertrag von Moskau, der die litauische Unabhängigkeit anerkannte.6 Ferner verpflichtete sich Litauen im polnisch-sowjetischen Konflikt
zur Neutralität.7 Am 12. Juli 1920, also zu einem Zeitpunkt, da sich Sowjetrußland in
einer Offensive befand und Polen zurückdrängte, wurde das Abkommen unterzeichnet.
4
5
6
7

10

Innerhalb von 14 Tagen ratifizierte der IV. Sowjetkongreß diesen Vertrag. (Stökl, S.658).
Schmidt, S.235 ff.
Harrison, S.24.
Schmidt, S.237.
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Noch anderthalb Jahre zuvor hatten die Bol’ševiki versucht, eine Räteregierung unter Vincas Mickevičius-Kapsukas in Vilnius zu installieren. Doch scheiterte dieses Unterfangen genauso wie die Gründung einer weißrussisch-litauischen Sowjetrepublik
(Litbel) wenig später.8 All dies zeigt, daß Sowjetrußland nicht das Interesse am Baltikum verloren hatte, auch wenn es dessen Souveränität zunächst anerkannte. Gemäß
seinem weltrevolutionären Anspruch konnte sich Moskau durchaus eine Föderation in
den Grenzen des Russischen Reiches und darüber hinaus vorstellen.9 Jedoch sollte sich
erst später der Expansionsdrang dieses jungen Regimes als bedrohlich für das Baltikum und andere Teile Europas erweisen.
b. Der Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag von 1926
Nachdem sich die Bol’ševiki in Rußland durchgesetzt und die Sowjetunion gegründet
hatten, suchten sie über das Streben nach Stabilität und innerer Konsolidierung hinaus
auch nach äußerer Sicherheit. Diese glaubten sie in Freundschaftsverträgen und Nichtangriffspakten mit ihren Nachbarn zu finden. Jedoch stießen sie bei den Umworbenen
nahezu durchgehend auf Ablehnung. Bezeichnend dafür ist, daß einzig das geächtete
Deutsche Reich zur Zusammenarbeit mit der Sowjetunion bereit war (Rapallo-Vertrag
vom 16. April 1922).
Aus einer anderen Motivation heraus kam es zur Unterzeichnung des litauischsowjetischen Abkommens. Wegen seiner ungebrochenen antipolnischen Haltung
schloß Litauen am 28. September 1926 einen Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag
mit der Sowjetunion. Die litauischen Unterzeichner gehörten derselben Regierung
an,10 die wenig später dem Staatsstreich Smetonas11 zum Opfer fallen sollte. Dennoch
wurde dieses Abkommen im Jahre 1931 um fünf Jahre verlängert und dann nochmals
erneuert, da es von keinem der beiden Vertragspartner gekündigt worden war.12

8 Ebd., S.228.
9 Während Lenin eine Föderation aller Sowjetrepubliken befürwortete, strebte Stalin eher eine großrussische Lösung an. Er wollte die Einheit jener Landesteile, die zum Russischen Reich gehört hatten, und forderte erst eine (Kon-)Föderation für den Fall, daß das sowjetische Territorium um über
ehemals russische Gebiete hinausreichende Länder erweitert würde. Produkt dieser divergierenden
Meinungen war dann die Verfassung der Sowjetunion von 1922. (Stökl, S.694 f.).
10 Stökl, S.742.
11 Mit Unterstützung von Offizieren übernahmen im Dezember 1926 Smetona das Amt des Staatspräsidenten und Voldemaras das des Ministerpräsidenten. Dies bedeutete das Ende der litauischen Demokratie. (Schmidt, S.250).
12 Harrison, S.24.
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c. Der gegenseitige Beistandspakt von 1939
Nach dem Aufstieg des Faschismus und Nationalsozialismus in weiten Teilen Europas
suchte die Sowjetunion erneut die Absicherung ihrer Grenzen und eine Pufferzone gegenüber ihrem größten – auch ideologischen – Feind: Hitlerdeutschland. Obwohl die
autoritären Regime im Baltikum eher rechtsgerichtet waren, sahen diese ihrerseits im
nationalsozialistischen Nachbarn eine größere Bedrohung als in den Bol’ševiki. So erklärt es sich, daß diese in Opposition zum Nationalsozialismus stehenden Regime sich
annäherten, um durch Verträge Rückendeckung zu erhalten. Natürlich konnte diese
Partnerschaft nur eine ungleiche sein. Auf der einen Seite stand ein konsolidiertes
Großreich, das zwar durch die „Säuberungen“ der letzten Jahre große Teile seiner Elite
eingebüßt hatte, aber dessen neue Führungsgeneration nun die Exekutivorgane besetzte
und dem Diktator Stalin willfähriger denn je war, da sie ihm ihre Macht und Positionen verdankte und gleichzeitig darum zu bangen hatte. Die baltischen Staaten dagegen
waren im Inneren instabil und auf die Anlehnung an einen größeren Partner angewiesen. Wegen ihrer Angst vor dem Deutschen Reich kam nur noch die Sowjetunion dafür in Frage, da sowohl Großbritannien, als noch mehr die Vereinigten Staaten wegen
der geographischen – und teilweise auch politischen – Entfernung nicht in Frage kamen. Für Litauen schied auch Frankreich als Garantiemacht Polens aus.
Am 22. März 1939 hatte Litauen auf Druck Ribbentrops und Hitlers das Memelgebiet an Deutschland abgetreten.13 Erneut erwies sich die Lage des kleinen baltischen
Staates als bedrohlich. Diese Situation ausnutzend forderte die Sowjetunion die Unterzeichnung eines Beistandpaktes, der eine Aufstellung von Truppen der Roten Armee
auf litauischem Gebiet ermöglichte.14 Der Vertrag vom 10. Oktober 1939 regelte die
Einrichtung von sowjetischen Garnisonen und Luftbasen15 sowie die Stationierung von
35.000 Soldaten16 in Litauen. Jedoch ging der baltische Staat dabei auch nicht ganz
leer aus. Nach der Niederlage der polnischen Armee gegen Deutschland hatte die Sowjetunion Ostpolen besetzt. Zu dem okkupierten Territorium gehörte auch die verfassungsmäßige Hauptstadt Litauens – Vilnius,17 das nun an Litauen übergeben wurde.
Daß dieses Geschäft zwischen den beiden Nachbarn aber durch einen bis dahin unbekannten Zusatz eines deutsch-sowjetischen Vertrages ermöglicht worden war, welcher
13 Schmidt, S.252.
14 Stökl (S.749 f.) weist zurecht darauf hin, welche Konsequenzen eine Weigerung von seiten Litauens
gehabt hätte. Der finnische-sowjetische Winterkrieg 1939/40 war nämlich eine Folge der Ablehnung
eines solchen Abkommens.
15 Harrison, S.24.
16 Schmidt, S.292. Andere Publikationen sprechen von 20.000 Rotarmisten. (Tumisienė, S.66).
17 Schmidt, S.292.

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wenig später auch der Souveränität Litauens ein Ende bereiten sollte, ahnte damals
noch kein Angehöriger der litauischen Delegation in Moskau.
3. Das Ende der Unabhängigkeit
a. Das zweite Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes
Nach den deutschen Annexionen in Mitteleuropa hatte sich im Westen die Angst vor
weiteren Aggressionen Hitlers manifestiert. Man suchte in Stalin einen Verbündeten
im Kampf gegen den Nationalsozialismus, dessen natürlichen – ideologischen – Feind
schließlich die kommunistische Sowjetunion darstellte. Auch Moskau mußte an weiteren Bündnissen interessiert sein, da die bisherigen Abkommen mit seinen unmittelbaren Nachbarn zwar eine Garantie der Sicherheit diesen gegenüber bot, aber eine solche
Allianz wenig gegen ein kriegerisches Deutschland auszurichten vermochte.
Umso größer war die Überraschung, als es am 23. August 1939 in Moskau zum Abschluß eines deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes kam. Viel ist über diesen sogenannten Hitler-Stalin-Pakt geschrieben worden, der eine ganze Generation von Kommunisten schockierte und einige, die Zuflucht im Mutterland des Proletariats gesucht
hatten, auch gefährdete. Bei der Beantwortung der Frage, warum sich Luzifer mit dem
Teufel verbündet hat, kommt man nicht umhin, die Expansionsgelüste beider Vertragspartner in den Mittelpunkt zu stellen. Die Verhandlungen der Westmächte mit der
Sowjetunion scheiterten, weil sie einfach das schlechtere Angebot gemacht hatten.
Während Hitler Teile Polens und des Baltikums, sowie Bessarabien zu bieten hatte,
stand der Westen bei einigen dieser Staaten als Garantiemacht im Wort.18 Außerdem
hielt das Abkommen Stalin in Erwartung eines Krieges den Rücken frei, um die enthauptete Rote Armee zu reorganisieren. Daß mit diesem Vertrag das Schicksal Polens
und der baltischen Staaten bereits besiegelt worden war, entzog sich der Kenntnis der
Betroffenen.
So folgten dem Hitler-Stalin-Pakt die Abkommen der Sowjetunion mit den baltischen Staaten im September und Oktober 1939. In Unkenntnis eines zweiten Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Vertrag – das erste hatte die Interessensphären
Berlins und Moskaus in Polen, dem Baltikum und Finnland abgesteckt – glaubte Litauen, durch den Gewinn von Vilnius auch noch Profit aus der Übereinkunft mit der
Sowjetunion geschlagen zu haben. Doch im zweiten Zusatzprotokoll, das wie das erste
geheimgehalten worden ist, wurde Litauen im Austausch gegen Teile Polens am
18 Vgl. Stökl, S.747 f.
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28. September 1939 dem sowjetischen Einflußgebiet zugeschlagen.19 Dies sollte Konsequenzen haben, die erst fünfzig Jahre später revidiert worden sind.
b. Die erste sowjetische Besetzung
Nachdem Stalin so die sowjetischen Ziele niedergelegt hatte, suchte er ähnlich wie
Hitler in Polen einen Vorwand, sich des Baltikums zu bemächtigen. Anlaß dazu boten
in Litauen Gerüchte, daß Angehörige der Roten Armee gefangengenommen und getötet worden seien.20 Als Reaktion darauf wurde eine litauische Delegation für den 7.
Juni 1940 nach Moskau21 bestellt, um zur Klärung der Vorfälle beizutragen. Im Kreml
wurde

dem

litauischen

Ministerpräsidenten,

Antanas

Merkys,

und

seinem

Außenminister, Juozas Urbšys, ein Ultimatum gestellt, dessen folgende drei
Forderungen innerhalb von einer Woche erfüllt werden sollten, ansonsten drohe der
sowjetische Einmarsch:
1. die Bestrafung des Innenministers und des Chefs des Sicherheitsdienstes;
2. die Bildung einer der Sowjetunion genehmen Regierung;
3. der Einmarsch einer begrenzten Zahl von Truppen der Roten Armee.22
Der litauische Präsident, Antanas Smetona, lehnte diese Forderungen kategorisch ab
und entschloß sich, am Tag, an dem das Ultimatum auslief, sich ins Ausland abzusetzen, von wo aus er für die Unabhängigkeit seiner Heimat kämpfen wollte.23 So bat er
am 14. Juni in Ostpreußen um Asyl, nachdem er den Ministerpräsidenten zu seinem
Nachfolger erklärt hatte.24 Am selben Tag ernannten die Sowjets Antanas Sniečkus,
den späteren Vorsitzenden der litauischen KP, zum Chef der Sicherheitspolizei.25
Einen Tag später begann nun der ungehinderte Einmarsch der Roten Armee nach Litauen. Es wurden Wahlen vorbereitet, die einen der Sowjetunion genehmen Ausgang
nehmen sollten. Zu diesem Zwecke organisierte Sniečkus in der Nacht vom 11. auf
den 12. Juli Verhaftungen unter der Intelligenz des Landes. Ihnen fielen auch Merkys

19 Lozoraitis, S.81. Gerutis (1978, S.116 f.) sieht darin die Bestrafung Litauens durch Deutschland
wegen der Weigerung, sich am Überfall auf Polen zu beteiligen.
20 Dabei handelte es sich wohl eher um eine Verdrehung der Tatsachen. Es wird angenommen, daß
Rotarmisten in betrunkenem Zustand Straftaten begingen und in Schlägereien verwickelt wurden,
was dann die beanstandeten Konsequenzen hatte.
21 Schmidt, S.301.
22 Gerutis (1978), S.118 f. Bei der Überreichung des Ultimatums soll der sowjetische Außenminister
Molotov klargemacht haben, daß es bereits beschlossene Sache war, in Litauen einzumarschieren.
23 Tauras, S.18.
24 Gerutis (1978), S.119.
25 Dahms, S.67.

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und Urbšys zum Opfer.26 An ihre Stelle war bereits zwei Tage nach der Invasion der
Vertaute Berijas Vladimir Dekanozov, Repräsentant der sowjetischen Regierung in Litauen und zugleich stellvertretender Außenminister der Sowjetunion, getreten.27
Nachdem man glaubte, nun die wesentlichen Störenfriede ruhiggestellt zu haben,
fanden am 14. Juli die Wahlen zum neugeschaffenen Volkslandtag statt. Dabei trat als
einzig zugelassene Partei die „Union des arbeitenden Volkes“ an. Sie erhielt bei einer
offiziellen Wahlbeteiligung von 95,51 Prozent eine überwältigende Zustimmung von
99,19 Prozent. In Wahrheit nahmen wohl etwa 32 Prozent der Abstimmungsberechtigten an den Wahlen teil, von denen nur 16 bis 18 Prozent für die „Union“ stimmten.28
Diese beträchtliche Divergenz der Zahlen – die über neunzigprozentige Bestätigung
der Sowjetliste ist eindeutig auf Wahlfälschung zurückzuführen – ist schon ein erstes
Anzeichen für eine Entwicklung, die in den nächsten Jahren der kommunistischen
Herrschaft in Litauen ein ernst– und dauerhaftes Problem bereiten sollte: Der Widerstand gegen die Sowjetunion war entstanden.
Trotz dieses Boykotts trat bereits eine Woche nach den Wahlen das neue Parlament
zusammen. Auf ihrer konstituierenden Sitzung behandelte die „Volksvertretung“ einen
einzigen Tagesordnungspunkt, den Beitritt zur Sowjetunion, den Sniečkus nachdrücklich forderte.29 Erwartungsgemäß wurde der Antrag auf Aufnahme in die Sowjetunion
mehrheitlich verabschiedet und ihm am 3. August aus Moskau stattgegeben.30
Damit hörte Litauen auf, als unabhängiger Staat zu existieren, und wurde als 15.
Republik der Sowjetunion eingegliedert. Die Bol’ševiki im Kreml hatten eine nahezu
vollständige territoriale Restauration des Zarenreiches erreicht. Aber auch unter Stalin,
dem „Vater der Völker“, hatten die nationalen Minderheiten – der Nationalitätenpolitik Lenins widersprechend – nicht mehr Rechte als unter den monarchischen Autokraten.
4. Widerstand gegen totalitäre Okkupanten
Bereits Ende Juni hatten sich um die Militärs Pranas Padalis, Tadas Petkevičius, Pilypas Narutis, General Antanas Gustaitis und Oberstleutnant Jurgis Bobelis Wider-

26 Ebd., S.68. Hermann (S.91) beziffert die Zahl der in dieser Nacht Festgenommenen mit 2.000 Personen für das gesamte Baltikum.
27 Swettenham, S.73.
28 Dahms, S.68; Hermann, S.91; Lozoraitis, S.82. Harrison (S.25) spricht von 95,51 Prozent Zustimmung für die einzige Partei.
29 Harrison, S.26; Dahms, S.68.
30 Harrison, S.26.
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standszentren gebildet.31 Vor allem nach dem Abtransport von Akten des Innen- und
des Außenministeriums durch das NKVD im Sommer 1940 nach Moskau32 sahen sich
viele im Land Verbliebene gefährdet, da sie nach Auswertung der Unterlagen mit einer
Bestrafung zu rechnen hatten. Jedoch war es nicht die innere Emigration, die den Impuls zu einer wirksamen Widerstandsbewegung geben sollte, sondern diese Aufgabe
übernahmen die sich im Ausland aufhaltenden Führungskräfte.
a. Sammlung im Exil
Möglich war dies, obwohl die Repräsentanten der legitimen Führung Litauens – bis
auf die Inhaftierten – ins Exil gegangen waren, da es noch weitere Sprachrohre gab,
die den Willen der abgesetzten Politiker nach außen hin vertraten. Denn nach wie vor
bestanden die diplomatischen Vertretungen der litauischen Republik im Ausland.
So trafen sich vom 19. bis zum 25. September 1940 die Gesandten Litauens aus
Rom (Stasys Lozoraitis und S. Girdvainis), Berlin (Oberst Kazys Škirpa), Paris (Petras
Klimas) und Bern (Legationsrat Eduardas Turauskas) in der italienischen Hauptstadt
zu einer Konferenz über die Zukunft ihrer Heimat.33 Dabei dominierte Oberst Škirpa34
diese Tagung und konnte schrittweise deren Teilnehmer für seine Ideen gewinnen.
Als Vertreter Litauens in Berlin setzte er auf die deutsche Karte. Er glaubte an die
Hilfe Deutschlands für den baltischen Staat, obwohl sich Hitler und Stalin gerade annäherten. Für ihn war nämlich klar, daß es zwischen beiden zum Bruch kommen werde. Auch wenn Alternativen diskutiert wurden, setzte sich Škirpa schließlich durch.
Man beschloß, einen Nationalrat unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Außenminister Ernstas Galvanauskas mit Sitz in Spanien oder Portugal zu bilden.35
Moralisch unterstützt von den Vereinigten Staaten,36 machten sich die Diplomaten
auf, ihren exilierten Präsidenten Smetona zu informieren und seine Zustimmung für
das weitere Vorgehen einzuholen. Bei seinen Besprechungen zwischen dem 17. und
dem 21. November stieß jedoch Lozoraitis auf die Ablehnung des geflohenen Staatsoberhauptes.37 Dieser bezeichnete Škirpa als „Freund der Deutschen“38 und lehnte
31
32
33
34

37
38

Dahms, S.69.
Hermann, S.91.
Gerutis (1978), S.129.
Škirpa wurde in den USA geboren. Als 25jähriger kehrte er im Jahre 1918 als Soldat ins Land seiner Vorfahren zurück, wo er eine Karriere in der Armee begann. (Gerutis, 1981).
Ebd., S.129 f.
Präsident Roosevelt sagte am 15. Oktober 1940: "Litauen wird frei sein. Dies wird schneller passieren, als man erwartet." (nach Harrison, S.28).
Gerutis (1978), S.130.
Nach Dahms, S.70.

16

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35
36

Galvanauskas als Vorsitzenden eines Nationalkomitees ab. Eher war er bereit, dem litauischen Botschafter in Bern, Šaulys, oder Lozoraitis selbst die Regierungsverantwortung zu übertragen. Da letzterer bereits Chef des diplomatischen Dienstes war, wurde
er nach der offiziellen Entlassung von Merkys, der ja nach der sowjetischen Besetzung
des Landes verhaftet worden war, zum stellvertretenden Präsidenten ernannt.39
Dieses Vorgehen rief den Widerspruch Škirpas hervor, dem darüber hinaus die Suche nach ministrablen Persönlichkeiten zu lange dauerte und der jetzt endlich in Aktion treten wollte, zumal ein Besuch Molotovs bei Hitler und Ribbentrop die Erfüllung
seiner Hoffnungen auf einen Bruch zwischen Deutschland und der Sowjetunion in
weite Ferne rücken ließ. Deshalb gründete er mit 28 weiteren Litauern die LAF (Lietuvių Aktyvistų Frontas/ Litauische Aktivistenfront).40 Nachdem er Smetona davon unterrichtet hatte, richtete er ein Büro in der Berliner Achenbachstraße ein, vor dessen
Tür die litauische Fahne gehißt wurde.41 Ziel dieser Organisation war es, einen Aufstand in Litauen zu entfesseln.42
b. Die Entwicklung im Inneren
Inzwischen versuchte die Sowjetmacht im ganzen Land, mit Hilfe von Verhaftungen,
Folter und Exekutionen ihre Stärke zu demonstrieren. Viele Vertreter der Intelligenz
verschwanden – teilweise spurlos – in den Kerkern des NKVD.43 Auch wenn mittlerweile das litauische Heer als 29. Territorialkorps in die Rote Armee integriert worden
war,44 also militärisch eine sowjetisch-litauische Vereinigung stattgefunden hatte, so
gelang es den Sowjets nicht, die Litauer politisch für sich zu gewinnen.
Wie schon der Wahlboykott vom Juli gezeigt hatte, war die Bevölkerung durchaus
dazu bereit, mit den neuen Machthabern auf Konfrontationskurs zu gehen. Zunächst
war dieser Widerstand passiver Art: Sowjetische Feiertage wurden ignoriert, das im
39 Gerutis (1984), S.131.
40 Die Frage nach dem genauen Zeitpunkt für die Gründung der LAF ist nicht eindeutig beantwortet.
Während v. a. die ältere Forschung - und in Anlehnung an diese auch Hermann, S.91 - den Oktober
1940 annimmt, so datiert Dahms diesen Vorgang mit Verweis auf die internationalen Ereignisse
(Molotov in Berlin) auf den späten November desselben Jahres; ebenso Gerutis, Handrack, Vardys,
Žymantas, aber auch die sowjetische Geschichtsschreibung, die ein Treffen am 17. November für
die Gründungsveranstaltung halten. Damit haben sie sich allgemein durchgesetzt.
Jedoch muß man berücksichtigen, daß die Entstehung einer solchen Organisation auf vorherige Überlegungen zurückzuführen ist, die bereits während der Konferenz angestellt wurden, zu deren Realisierung sich Škirpa erst nach der Ablehnung seiner Vorschläge durch Smetona veranlaßt sah.
Sicherlich sind aber schon im Vorfeld Sondierungsgespräche zum Aufbau einer bewaffneten Heimatarmee abgeführt worden.
41 Dahms, S.70 f.
42 Gerutis (1978), S.132.
43 Harrison, S.28.
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katholischen Litauen besonders wichtige Allerseelenfest wurde gefeiert, und landwirtschaftliche Abgaben wurden verweigert.45 Am 14. und 15. August versammelten sich
etwa 8.000 Lehrer zu einem Kongreß, um ihre patriotische Gesinnung zum Ausdruck
zu bringen. Studenten setzten sich durch Gründung von Geheimgesellschaften, die oppositionelle Schriften publizierten, auf lokaler Ebene gegen das neue Regime zur
Wehr, wurden aber schon bald von NKVD-Agenten unterwandert. Rekruten verweigerten den Dienst in der Roten Armee.46 Im September begann in Kaunas die Verteilung von Flugblättern mit regimekritischen Inhalten; in Vilnius tauchten auch solche in
polnischer und jiddischer Sprache auf.47 Zu dieser Zeit kann man also weniger von nationalem, als vielmehr von antisowjetischem Widerstand sprechen.
Zwar waren viele Führungspersönlichkeiten emigriert oder festgenommen worden,
doch gab es noch genügend – v.a. junge – Leute, die willens waren, sich für die Freiheit ihrer Heimat einzusetzen. So entstanden aus der Mitte der Studentenschaft heraus
die unterschiedlichsten Gruppen48, die alle ein gemeinsames Ziel hatten: den Widerstand gegen die sowjetischen Besatzer. Ihre Mitglieder stammten sowohl aus dem
Bauerntum als auch aus dem Bürgertum, der Arbeiterschaft oder dem Beamtentum.
Sie waren ebenso Anhänger der Sozialdemokraten wie der Nationalisten, der Liberalen
oder katholischer Bewegungen.49 Die sich formierende Opposition war also in sozialer, wie politischer – mit Ausnahme der Kommunisten –, religiöser oder nationaler
Hinsicht zu dieser Zeit absolut heterogen, wie schließlich auch die oben erwähnten
Handzettel von Polen und Juden belegen.
Doch schon bald erwies sich die Aufsplitterung der im Untergrund operierenden
Verbände als zu wenig effektiv. War es den einzelnen Gruppen zwar möglich, die
sowjetischen Okkupanten hie und da herauszufordern, so versprach die Vereinigung
der Kräfte eine größere Schlagkraft. Zu diesem Zwecke trafen sich am 9. Oktober 1940
Führer des Widerstandes, um über die Zentralisierung ihrer Unternehmungen zu disku-

44
45
46
47
48

Dahms, S.74; Žemaitienė, S.25.
Gerutis (1984), S.315 f.
Vardys (1965), S.63.
Gerutis (1984), S.316 f.
Gerutis (1984, S.317) zählt u. a. die Litauische Unabhängigkeitspartei, die Litauischen Aktivisten,
das Komitee zur Befreiung Litauens (in Vilnius), die Litauische Aktivistenunion (LAS), das Komitee zur Hilfe Litauens, die Vernichter von Parasiten, den Eisernen Wolf, die Union der Patrioten des
Vaterlandes sowie die Todesbataillone zu den wichtigsten Bewegungen, die Einfluß auf die kommende Entwicklung nehmen sollten.
49 Gerutis (1984), S.317.

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tieren.50 Dabei setzte man sich zum Ziel, die Bevölkerung nachhaltiger vor dem
NKVD zu schützen, Kontakt mit dem Westen aufzunehmen und einen Aufstand gegen
die Besatzungsmacht zu inszenieren.51 Vor allem mit den beiden letzten Entschließungen war man von den Plänen des Oberst Škirpa nicht allzu weit entfernt.
Zunächst mußte man aber zusehen, daß sich die Lage der Menschen im Inneren
nicht weiter verschlechterte. Dazu schuf man mit sogenannten „Fünfern“ (litauisch:
penketukai) Einheiten, die vor Übergriffen des NKVD schützen sollten. Aufgabe eines
jeden penketukas war es, Mannschaften zu fünf Personen zu rekrutieren, die möglichst
rasch dort einsetzbar waren, wo es zu Provokationen durch sowjetische Organe kam.
Die Anführer dieser Gruppen bildeten wiederum mit vier Köpfen anderer penketukai
eine Fünfermannschaft, deren Spitze Kontakte zu Ebenbürtigen unterhielt. So entstand
eine Hierarchie, die es später, nachdem sich dieses System vom Land auf die Städte
ausgebreitet hatte, ermöglichte, Befehle ohne größere Übermittlungshindernisse von
ganz oben nach ganz unten durchzugeben.52
Ferner entschloß man sich dazu, die Organisation zu straffen und zwei Zentren zu
schaffen, von denen das eine ein Netzwerk zur Verbesserung der internen Kommunikation aufbauen, das andere sich die politischen und militärischen Angelegenheiten zur
Aufgabe machen sowie Kontakte zum Ausland knüpfen sollte. In Kaunas kümmerten
sich jetzt Damušis, Vėbra, Prapuolenis, sowie etwa 15 weitere Personen, die zum
größten Teil von der dortigen Technologischen Fakultät stammten, um die Organisation und den Kontakt zu den ländlichen Gebieten. Für Politik, Militär und Auslandskontakte waren dagegen Bulvičius, Padalis, Stasys Žakevičius und andere in Vilnius
zuständig. Obwohl man sich nun ernsthaft unter dem politischen Berater Padalis Gedanken über das zukünftige Schicksal Litauens machte, führte erst die Gründung der
LAF im Exil, wohin inzwischen immer mehr Leute geflohen waren, durch Škirpa zur
Vereinheitlichung auch der Programmatik und Vorgehensweise der Gegner des sowjetischen Regimes.53
Als Grundlage für die politische Ausrichtung des Untergrundes galt eine von der
LAF ausgearbeitete Schrift.54 Das stark national geprägte Pamphlet setzte sich für den
50 Teilnehmer an diesem Gespräch waren: Leonas Prapuolenis, Major Vytautas Bulvičius, Juozas
Vėbra, Dr. Adolfas Damušis, Dr. Pranas Padalis und eine weitere unbekannte Person. (Gerutis
1984, S.318).
51 Gerutis (1984), S.318.
52 Tauras, S.21; Gerutis (1984), S.318.
53 Gerutis (1984), S.318 f.
54 Die „Ideen für die Plattform der Litauischen Aktivistenfront“ wurden auf dem Gründungskongreß
der LAF verabschiedet. (Gerutis, 1984, S.319).
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Erhalt und die Weiterentwicklung des Lituanismus ein, dessen Eckpfeiler das Christentum sein solle, und forderte soziale Gerechtigkeit unter Berücksichtigung der sich
ändernden sozioökonomischen Bedingungen. Neben diesen Thesen fand auch die Bildung einer Exekutivgruppe unter Škirpa die Anerkennung durch den Widerstand in Litauen.
c. Hoffen auf das Ausland
Schwieriger gestaltete sich die Unterstützung durch das Ausland. Während die Führer
anderer besetzter Nationen im Westen Exilregierungen bildeten, blieb diese Möglichkeit den Litauern versagt. Erfreute sich das von Deutschland okkupierte Polen der
Sympathie Großbritanniens und schuf sich in London eine Exekutive, so wurde das
den emigrierten Balten mit Rücksicht auf Moskau verboten.55 Zwar galt die Sowjetunion – v.a. nach dem Hitler-Stalin-Pakt – nach wie vor als Bedrohung der westlichen
Demokratie, doch sah man die Notwendigkeit ein, weiter auf die Möglichkeit zu setzen, Moskau für den Kampf gegen den Hauptfeind Deutschland zu gewinnen.
So blieb dem antisowjetischen Widerstand nur noch, auf deutsche Hilfe zu hoffen.
Vorgezeichnet war diese Entwicklung letztlich auch durch die Führerschaft Škirpas,
der gute Kontakte zu den Stellen in Berlin, wo er sich selbst befand, unterhielt. Zwar
konnte man von den Nazis ebenso wenig die Wiederherstellung der Unabhängigkeit
erwarten, hoffte aber nach einem deutschen Sieg über die Sowjetunion auf eine Niederlage Deutschlands gegen die Westmächte und eine sich anschließende Erneuerung
der Souveränität.56 Dennoch bemühte sich Škirpa, beim Auswärtigen Amt in Berlin
seiner Forderung nach Unabhängigkeit Ausdruck zu verleihen, womit er aber scheiterte. Stattdessen geriet er ins Blickfeld der deutschen Auslandsabwehr unter Admiral
Canaris. Erfolgreich war er dagegen mit der Aufstellung von litauischen Einheiten, die
aber unter dem Kommando von Deutschen standen.57
Unterdessen gestaltete sich die Kommunikation mit den im Land verbliebenen Oppositionellen schwierig.58 Dieser mangelnde Gedankenaustausch führte auch zu einer
inhaltlichen Auseinanderentwicklung beider Zweige des litauischen Widerstandes.
Während Škirpa in seiner programmatischen Schrift ein autoritäres Regime für Litauen
55
56
57
58

Anderson, S.562.
Gerutis (1984), S.320.
Dahms, S.71 f.
Vardys (1965), S.64. Gerutis (1984, S.321) spricht zwar von einem regen Austausch zwischen Litauen und Berlin, doch darf man wohl annehmen, daß diesem geringer Erfolg beschieden war. Zu
Recht weist er darauf hin, daß die Verbindungen meist mündlich aufrechtgehalten wurden, da das
Schmuggeln von Flugblättern äußerst riskant war.

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befürwortet hatte,59 so war man in der Heimat eher am Aufbau eines demokratischen
Rechtsstaates interessiert, der zunächst von einer provisorischen Koalitionsregierung
und demokratischen Institutionen getragen werden sollte, um eine neue soziale Ordnung zu schaffen. Natürlich war man in Litauen unmittelbar mit dem Gegner konfrontiert, was den Aufbau eines internen Netzwerkes erforderlich machte. Als Grundlage
dafür diente das System der penketukai, deren Kämpfer und Einheiten nun Pseudonyme annahmen, um das NKVD zu verwirren. 60
Um den Einfluß auf die Entwicklung in seiner Heimat nicht völlig zu verlieren und
um einen Aufstand vorzubereiten, schickte Škirpa seinen Vertrauten, Kapitän Albertas
Šverplaitis, nach Litauen. Dort sollte jener Regimegegner um sich sammeln, die für eine militärische Erhebung zur Verfügung stünden. Bei seiner Suche nach Kampfeswilligen traf er vor allem auf ehemalige Offiziere der litauischen Armee, Angehörige der
verbotenen Schützengesellschaft (Šaulių sąjunga), sowie Studenten der TDA (Tautino
Darbo apsaugo/Verteidigung der Nationalen Arbeit). Diesmal wurden Dreiergruppen
gebildet, deren Mitglieder nur ihre unmittelbaren Kampfgenossen und nicht die anderer Einheiten kannten, um ein Höchstmaß an Geheimhaltung zu gewährleisten. Später
sollten sie dann zum Zwecke gegenseitigen Erkennens mit weißen Armbinden ausgestattet und Offizieren unterstellt werden.61 Schließlich erklärte sich der größte Teil der
am 26. Dezember 1940 von liberal-nationalistischen Studenten gegründeten Litauischen Freiheitskämpferunion (Lietuvos Laisvės Kovų Sąjūdis/LLKS) im April 1941
dazu bereit, mit der LAF zusammenzuarbeiten.62 Bis Ende Mai waren alle Instruktionen an die operierenden Einheiten weitergegeben63 und eine Namensliste mit
potentiellen

Mitgliedern

einer

Koalitionsregierung

Nationalisten, Populisten und Sozialdemokraten erstellt

aus

Christdemokraten,

worden.64

d. Der Aufstand vom Juni 1941
Jedoch erfuhren die litauischen Aufstandsvorbereitungen immer wieder Schwächungen durch Störaktionen des NKVD.65 Čekistische Überwachungen vereitelten Treffen
des Untergrundes, wodurch die Pläne zur Erhebung deutlich gefährdet wurden. Auch
59 Am 5. Dezember 1940 erschien zusätzlich in Berlin noch die Broschüre "Aus der bolschewistischen
Sklaverei zu einem Neuen Litauen", die das deutsch-litauische Verhältnis beschrieb, sowie Pläne für
den Fall des Ausbruchs eines deutsch-sowjetischen Krieges darlegte. (Gerutis, 1984, S.321).
60 Gerutis (1984), S.320 f.
61 Dahms, S.72 f.
62 Vardys (1965), S.66.
63 Dahms, S.73.
64 Gerutis (1984), S.322.
65 Dahms, S.75.
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machte sich bei den Besatzern Furcht vor oppositionellen Maßnahmen breit, was beide
Seiten verunsicherte, da die Widerstandsbewegung nun mit verschärften Vorkehrungen der Sowjets zu rechnen hatte. Deshalb plante man, den Aufstand auf einen Termin
zu legen, der zwischen dem Rückzug der Sowjets vor einem drohenden deutschen Angriff und dem Einmarsch der Wehrmacht in Litauen liegen sollte. Den Zeitpunkt des
Überfalls terminierte man, nachdem man Informationen von Škirpa aus Berlin erhalten
hatte, auf einen Tag zwischen dem 18. und 26. Juni.66
Obwohl es der LAF inzwischen geglückt war, ihre Leute in vielen staatlichen Institutionen wie Miliz, Post oder Krankenhäusern unterzubringen, gelang es ihr nicht, den
Präventivschlag des NKVD zu verhindern. Beunruhigt durch die Entwicklung des Widerstandes zu einer Massenbewegung, begannen in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni
1941 umfangreiche Verhaftungen unter der litauischen Bevölkerung. Wer es – genau
ein Jahr nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen – nicht schaffte, dieser nächtlichen
Aktion durch Flucht in den Wald zu entkommen oder unterzutauchen, wurde festgenommen und in den arktischen Norden Rußlands oder die Weiten Sibiriens verschleppt. Allein durch diese Verhaftungswelle verloren mehrere zehntausend Litauer
ihre Freiheit.67
Wahrscheinlich war auch viel Wut und Trauer dabei, als sich eine Woche später –
nach dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion – die Bevölkerung Litauens erhob. Man kann durchaus von einem Volksaufstand sprechen, da über 100.000 Menschen68 an ihm teilnahmen und es tatsächlich schafften, die ungeliebten Besatzer zu
vertreiben. Jedoch ist es Verkennung einer wichtigen Tatsache, wenn vor allem von
litauischer Seite immer wieder darauf beharrt wird, daß es sich dabei um eine rein litauische, also nationale, sozusagen autochthone Erhebung handelte69, die ohne fremde
Hilfe durchgeführt worden ist. Genau mit dieser Behauptung wehrt man sich gegen die

66 Gerutis (1984), S.322.
67 Während Harrison (S.29) von 30.485 Deportierten spricht, schätzt Žemaitienė (S.25) diese Zahl auf
etwa 18.000. Vardys (1991, S.224) beziffert die Zahl der Depotierten auf 34.000. Grund für die unterschiedlichen Annahmen der Opferzahl ist wohl die Tatsache, daß sich die Massendeportationen
über mehrere Tage hinzogen. Man muß aber auch berücksichtigen, daß Žemaitienė als Vertreterin
einer jüngeren Generation von Historikern über besseres Archivmaterial verfügen und die Sachverhalte objektiver beurteilen dürfte als unmittelbar Betroffene.
68 Wieder ist es Harrison (S.29), der bei seiner Darstellung diese Zahl überschreitet; er spricht von
125.000 Aufständischen. Auch andere Zeitzeugen gehen von mehr Beteiligten aus (siehe Gerutis,
1984, S.327). Vardys (1965, S.67) und Hermann (S.92) schätzen die Zahl der Teilnehmer der Erhebung auf etwa 100.000. Bei diesen Zahlen ist es noch wesentlich schwieriger, Schätzungen anzugeben, da es sicherlich auch Personen gab, die nur zeitweise den Aufstand unterstützen wollten
oder konnten.
69 Vardys (1997), S.81.

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sowjet-marxistische These, daß enge Verbindungen der Aufstandsbewegung zu den
deutschen Faschisten bestanden hätten.70
So wäre es wohl ohne deutsche Hilfe zu sehr einseitigen Kämpfen gekommen; denn
trotz der mangelnden Kenntnis des Landes und seiner Leute waren die Sowjets logistisch und auch mit Waffenmaterial besser ausgerüstet als die Aufständischen. Doch erhielten diese – außer von eigenen Soldaten, die größtenteils aus der Roten Armee
geflohen waren – Waffenhilfe von Gestapo und Wehrmacht.71 Auch gab es – wie bereits oben – erwähnt Litauer, die unter deutschem Kommando standen.
Auch ist die These, wie sie Harrison, Tauras oder Žymantas aufstellen, nicht haltbar,
bei dem Aufstand hätte es sich um eine spontane Handlung gehandelt.72 Durch das oben Dargelegte ist der Nachweis ausreichend erbracht, wieviel Zeit für die Planung
und Vorbereitung der Erhebung aufgewendet worden ist.
Am 22. Juni 1941 war es also zur Revolte gegen die sowjetische Besatzungsmacht
gekommen. Wie geplant wurden in Kaunas Post, Telegrafenamt, Polizei, Rundfunk
und das Gefängnis besetzt. Die beabsichtigte Festnahme des von den Sowjets eingesetzten Ministerpräsidenten Justas Paleckis dagegen scheiterte, da dieser fliehen konnte.73 In Kaunas versammelten sich im vorübergehenden Hauptquartier Damušis,
Prapuolenis und Vėbra, um die Ausrufung der Unabhängigkeit vorzubereiten. Am folgenden Tag ging die Nachricht von der Wiederherstellung der Souveränität über den
Äther. Es wurde eine provisorische Regierung unter Škirpa ausgerufen.74 Jedoch war
dieser noch in Berlin, wo ihn die Deutschen unter Hausarrest gestellt hatten.75 Er hatte
sie am Tag vor Kriegsbeginn über die litauischen Pläne informiert76, obwohl er vorher
von den Nationalsozialisten davor gewarnt worden war, einen Aufstand durchzuführen.77
Nachdem weite Teile des Landes von den Untergrundkämpfern eingenommen worden und zwischen 2.000 und 4.000 Menschen dabei gestorben waren,78 konstituierte
sich die Provisorische Regierung unter dem Literaturhistoriker Juozas Ambrazevičius,
70
71
72
73
74
75

Istorija Litovskoj SSR, S.451.
Gerutis (1984), S.321; Handrack, S.74.
Harrison, S.29; Tauras, S.23; Žymantas, S.41.
Dahms, S.80.
Gerutis (1984), S.323 f.
Broszat, S.313. Auch der Versuch, sich die Deutschen gewogen zu machen, scheiterte. Eine Mitteilung Škirpas an Ribbentrop und Hitler über die „Neuordnung des litauischen Staates auf völkischer
Grundlage und seine Einordnung in die Schicksals- und Solidaritätsgemeinschaft des Neuen Europa“ blieb unbeantwortet (Dahms, S.82).
76 Handrack, S.74.
77 Žymantas, S.41.

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der an die Stelle Škirpas gerückt war. Sie versuchte jetzt, enteignete Güter zurückzugeben, die Schulpflicht von zehn wieder auf zwölf Jahre zu erhöhen, einen Haushaltsplan aufzustellen, und protestierte gegen Hinrichtungen von Juden.79 Doch blieben
diese Beschlüsse ohne große Wirkung. Am 17. Juli 1941 vereinte die neue Besatzungsmacht Litauen, Lettland, Estland und Weißrußland zum Reichskommissariat
Ostland.80 An die Spitze des Generalbezirks Litauen rückte Adrian von Renteln, der
schon bald die Provisorische Regierung zur Selbstauflösung nötigen und sie stattdessen als Generalrat zur Kollaboration anhalten wollte. Doch scheiterte er zunächst damit; genauso wie zuvor Anhänger von Augustinas Voldemaras, dem nationalistischen
Führer des „Eisernen Wolfes“ (Geležinis Vilkas), eines faschistischen Freikorps, die –
von den Deutschen unterstützt – gegen die Regierung zu putschen versucht hatten.
Doch nahm der Druck von seiten der Besatzer derart zu, daß sich die Regierung
schließlich am 5. August selbst auflöste. Die LAF bestand noch bis zum 22. September
194181, nicht ohne vorher noch in einem Memorandum an Hitler, Ribbentrop und den
deutschen Generalfeldmarschall Keitel auf die Benachteiligung der Litauer gegenüber
den Deutschen hinzuweisen, was ihrem Führer Prapuolenis für einige Zeit die Inhaftierung im KZ Dachau eingebracht hat.82 – Der Aufstand war gescheitert; Litauen hatte
seine Unabhängigkeit nicht wiederherstellen können.
Gründe für den Fehlschlag sind sicherlich in der sowjetischen Verhaftungswelle
vom Juni zu sehen. Dadurch geschwächt, fehlte den Litauern ein Fundus an Personen,
aus dem sie geistiges und militärisches Potential hätten rekrutieren können. Die ganze
Aktion war von einer gewissen Naivität gekennzeichnet, da man nicht ernsthaft erwarten konnte, gegen eine Wehrmacht, die in Blitzkriegen inzwischen halb Europa überrollt hatte, erfolgreich die nationale Souveränität durchzusetzen. So blieb den Litauern
schließlich nur noch die Hoffnung, auf eine ähnliche Entwicklung wie nach dem Ersten Weltkrieg zu setzen, an deren Ende ein unabhängiges Litauen stand.
Zunächst war aber das Baltikum wieder von deutschen Truppen besetzt. Und deren
Absichten waren der Bevölkerung noch nicht ganz klar.
78 Das Problem der Schätzung von Zahlen wurde bereits oben ausführlich erläutert; hier sind 2.000
Opfer bei Hermann (S.92) zu finden, 4.000 bei Gerutis (1984, S.328).
79 Handrack, S.78. Andererseits erklärt Dahms (S.88) eine negative Einstellung der LAF gegenüber
Juden damit, daß bei dem 29. Territorialkorps der Roten Armee überwiegend Juden die Posten von
Politkommissaren bekleideten, während sie in relativ geringem Maße bei der Kommunistischen Partei aktiv waren. Hier wird aber schließlich auch eine Diskrepanz zwischen der geistigen Elite des
Widerstandes - in Form der Provisorischen Regierung - und dem Gros der LAF deutlich.
80 Tauras, S.26. Andere Daten weisen wohl auf die Ernennung der Generalkommissare hin (Gerutis,
1984, S.329, oder Žymantas, S.41).
81 Handrack, S.79.

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e. Unter deutscher Besatzung
Waren die Deutschen anfangs noch als Befreier herzlich empfangen worden, so wendete sich nach den ersten Maßnahmen der Nationalsozialisten schnell das Blatt. Ziel
der Invasoren – das wurde alsbald deutlich – war es, gemäß der „Lebensraumideologie“ Hitlers das Baltikum zu kolonialisieren. Dazu wurde das okkupierte Gebiet in eine landwirtschaftliche Zone an der Küste und eine Waldzone im Osten unterteilt.83
Aber um ihre Pläne auch durchsetzen zu können, mußten die Deutschen von litauischer Seite unterstützt werden. Dazu richtete von Renteln einen Generalrat unter dem
Vorsitz des Voldemaristen Petras Kubiliūnas ein.84 Er bestand aus neun Persönlichkeiten, die je einem Fachressort vorstanden. Jedoch war seine Macht aus litauischer Sicht
beschränkt, da man an Weisungen der Besatzer gebunden war; Widerstand dagegen
wurde hart bestraft.85
Die Generalräte wurden von der Bevölkerung als Kollaborateure abgelehnt („Verräter und Knechte der Deutschen“86). So formierten sich schon bald nach der Zerschlagung der LAF neue Widerstandsgruppen im Untergrund. Bereits im August 1941 hatte
sich die LLKS von der LAF wieder getrennt.87 Als Nachfolger der LAF kann auch die
neugegründete Litauische Front (Lietuvių Frontas/LF) gelten. Beide – die LLKS und
die LF – bekämpften zwar zusammen mit den Generalräten die sowjetischen Partisanen, doch wehrten sie ebenso alle Germanisierungsversuche entschieden ab.88 Immer
wieder entstanden neue Gruppen, die jedoch lokal begrenzt blieben. Erneut wurde erkannt, daß die Aufsplitterung in unterschiedliche Gruppierungen die Kampfkraft des
Untergrundes nur schwächt, obwohl alle das gleiche Ziel hatten: die Freiheit der Heimat. So kam es im Jahre 1943 zu mehreren Zusammenschlüssen, an deren Ende wieder eine einheitliche Organisation stehen sollte, die über religiöse oder politische
Differenzen erhaben war. Aber zuerst verbündete sich die LLKS Anfang des Jahres
mit Vertretern der verbotenen Parteien (Tautininkai, Populisten, Nationalisten und Sozialdemokraten) zum Obersten Litauischen Komitee (Vyriausias Lietuvos Komitetas/VLK) unter Bronius Bielinkas. Parallel zu diesem eher linken Verband schlossen
82
83
84
85
86
87
88

Gerutis (1984), S.331.
Harrison, S.31.
Vardys (1965), S.73.
Fünf der neun Generalräte endeten im KZ Stutthof. (Gerutis, 1984, S.335).
Nach Hermann, S.92.
Gerutis (1984), S.332.
Dahms (S.95) erwähnt - entgegen der Darstellung Broszats (S.318) - zwar auch eine Unterstützung
der deutschen Wirtschaftspolitik, doch ist dies angesichts der Tatsache, daß „arische“ Neusiedler ins
Land geholt wurden (Harrison, S.31) und litauische Bauern auf ihren Höfen nur einfache Arbeiter
waren (Swettenham, S.147), unwahrscheinlich.

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sich katholisch orientierte Gruppen, darunter auch die LF, zum Volksrat (Tautos Taryba)89 oder Litauischen Rat (Lietuvos Taryba/LT)90 zusammen. Nach Verhandlungen,
die am 3. Juli begannen, kam es am 25. November 1943 unter dem Namen Oberstes
Litauisches Befreiungskomitee (Vyriausias Lietuvos Išlaisvinimo Komitetas/VLIK)
zur Vereinigung des VLK und des Rates.91
Während das VLIK sich als politische Vertretung des Volkes sah, gab es andere
Strömungen innerhalb des litauischen Widerstandes, die ihre Aufgabe auf militärischem Gebiet wahrnahmen. Dazu gehörte in erster Linie die Litauische Freiheitsarmee
(Lietuvos Laisvės Armija/LLA), die im Februar 1942 gegründet worden war.92 Später
– als sich die Rote Armee wieder Richtung Westen bewegte – wurde die LLA von den
Nationalsozialisten geduldet, unter deren Herrschaft zunächst aber die Bewaffnung
und Organisierung der Widerstandskämpfer im Mittelpunkt stand. Die Aktionsgebiete
dieser Untergrundarmee wurden in vier Regionen (litauisch: apygardos) eingeteilt, in
denen – von der Zivilbevölkerung unterstützt – ihre bewaffneten Einheiten operierten.
Diese „Habichte“ (litauisch: vanagai), wie die Einheiten genannt wurden, hatten sich
aus kleinen Verbänden entwickelt, die später zu ganzen Kompanien angewachsen sind.
Insbesondere diese Gruppen zeichneten sich durch eine ausgesprochene Aktivität
aus93, doch sollte die erst nach Rückkehr der Sowjets voll zur Geltung kommen.
Zu dieser Zeit wurde der Widerstand gegen die Okkupanten im Reichskommissariat
aber von anderen Teilen der Bevölkerung des besetzten Landes getragen. Vor allem
weißrussische Partisanenverbände, die auch immer wieder nach Litauen einsickerten,
sowie Kommunisten waren die Stütze des antinazistischen Widerstandes.94 Jedoch
verstärkte sich im gesamten „Ostland“ die Opposition gegen die Deutschen, die jetzt
immer öfter Bewohner des Baltikums nach Deutschland zur Zwangsarbeit oder ähnlichem verschleppten. Zum einen ließ das die nationalen Widerstandsgruppen näher zusammenrücken;95 zum anderen wurde aber auch die eigene politische Ausrichtung
überdacht. Nach der sich abzeichnenden Niederlage der Deutschen gegen die Sowjet89 So Gerutis (1984), S.344.
90 So Vardys (1965), S.82.
91 Gerutis (1984, S.345) und Žemaitienė (S.25) nennen dieses Datum; Vardys (1965, S.82) spricht
vom 14. Oktober. Einig sind sie sich aber über das Datum der Verbreitung der ersten Deklaration
(16. Februar 1944), die die Forderung nach Unabhängigkeit aufstellte.
92 Gerutis (1984), S.333.
93 Žemaitienė, S.26.
94 Myllyniemi (1973), S.266.
95 Im Januar und April 1944 fanden schließlich zwei Treffen baltischer Untergrundbewegungen statt,
die sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits mit der Organisierung des antisowjetischen Widerstandes

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union begrub man die Hoffnung auf einen deutschen Sieg im Osten und eine Niederlage im Westen, die den baltischen Staaten durch den Druck der Siegermächte die Souveränität wiedergebracht hätte. Nun richtete man sich völlig nach Großbritannien und
den USA aus.96
Deshalb scheiterte auch der Versuch der Deutschen, eine litauische SS-Legion aufzustellen. Wie bereits in den anderen besetzten Ländern wollten die Nationalsozialisten auch in Litauen Soldaten für ihre mörderischen Pläne rekrutieren. Doch mißlang
der erste Versuch der Einberufung zu einer Litauischen Legion. Auch dem Vorhaben,
Baubataillone zu bilden, war kein Erfolg beschieden – nur ein Bruchteil der geforderten Anzahl von Menschen konnte dafür gewonnen werden, und diese meistens auch
nur unter Zwang.97 Folge solcher Fehlschläge war die Verschärfung deutscher Repressionsmaßnahmen. So wurden alle höheren Schulen geschlossen, was nicht verhinderte,
daß am 7. Juni 1943 ein weiterer Versuch zur Einberufung der zwischen 1919 und
1924 geborenen männlichen Litauer scheiterte.98 Erst als die sowjetische Front näherrückte und nachdem die Deutschen dem Generalrat Zugeständnisse bezüglich der
Truppenautonomie gemacht hatten, erreichte General Povilas Plechavičius die Mobilisierung von 30.000 Mann, die sich am 16. Februar 1944 zum Dienst meldeten. Jedoch
reichte es den Nationalsozialisten nicht, daß diese Einheiten nur zur Bekämpfung von
sowjetischen Partisanen und Banditen herangezogen wurden. Am 13. Mai wurde deshalb die Eingliederung in die SS angeordnet, was von litauischer Seite abgelehnt wurde. Daraufhin wurde Plechavičius ins KZ Salaspils bei Riga verbracht und, nachdem
es zu blutigen Zusammenstößen gekommen war, die Truppe aufgelöst und – teilweise
– entwaffnet.99
Inzwischen war es dem politischen Arm des Untergrundes auch nicht besser ergangen. Nachdem am 16. März 1944 fünfzig Personen auf einem Treffen des VLIK in
Kaunas die Aufstellung eigener Einheiten zwar befürwortet, aber die Legitimation des
Generalrates für eine solche Entscheidung in Frage gestellt hatten, schickte sich die

96

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98
99

befaßten. (Myllyniemi, 1973, S.267). Man kann jedoch davon ausgehen, daß die Vorbereitungen
dazu auch im Hinblick auf die Abschüttelung der deutschen Besatzer geschehen sind.
Broszat, S.321. Die Hoffnungen auf den demokratischen Westen waren jedoch nicht am tagespolitischen Geschehen orientiert. Aus Rücksicht auf die Sowjetunion, auf deren Hilfe man im Kampf gegen den Nationalsozialismus angewiesen war, wurden Gespräche über das Schicksal des Baltikums
immer wieder verschoben (Misiunas/Vardys, S.162 ff.). Allerdings kam es dadurch auch nie zu einer Anerkennung der sowjetischen Inkorporation durch den Westen.
Harrison (S.39) spricht davon, daß statt der verfügbaren 250.000 Mann nur 3.940 den Dienst antraten. Nach Tauras (S.27 f.) konnten lediglich 8.000 statt 100.000 Arbeiter in die Kriegsproduktion
geschickt werden.
Vardys (1965), S.80 f.
Harrison, S.35 ff.; Vardys (1965), S.83 f.

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Gestapo an, den Widerstand zu zerschlagen. In der Nacht vom 29. auf den 30. April
wurde fast das gesamte Führungspersonal des VLIK festgenommen und die noch in
deutschem Dienst stehenden litauischen Soldaten als Luftwaffenhelfer nach Deutschland verschickt.100 Zwar gelang es dem übrigen Stab des VLIK, angesichts einer drohenden erneuten Besetzung durch die Sowjetunion noch einmal Bevollmächtigte zu
bestimmen, von denen aber nur einer im Land verblieb. Diese letzte Aktion der Deutschen bedeutete faktisch das Ende einer politischen Elite in Litauen.101

II. Der Beginn des litauischen Partisanenkampfes – unter besonderer
Berücksichtigung von Akten des Glavnoe Upravlenie NKVD SSSR
po bor’be s banditizmom (GUBB)
1. Die Ablösung der Besatzungsmächte
a. Ende der deutschen Okkupation
Nach dreijähriger Anwesenheit zogen sich die deutschen Besatzer mit stetigem Herannahen der Roten Armee aus dem Baltikum zurück. Die Kapitulation der Wehrmacht
vor Stalingrad im Jahre 1943 sowie ein Jahr später das Ende der Belagerung Leningrads hatten das Blatt zugunsten der Sowjetunion gewendet und ihr ermöglicht, in ihre
annektierten Westgebiete vorzudringen, in denen sie wie vier Jahre zuvor auf den Widerstand der einheimischen Bevölkerung stieß.
Auch die Deutschen waren inzwischen bei den Bewohnern des sogenannten Reichskommissariats „Ostland“ hinreichend diskreditiert. Doch war der Widerstand gegen
die Nationalsozialisten weniger erbittert gewesen als jetzt gegen die anrückenden Sowjets. Wieder versuchte man, wie auch im Jahre 1941, die staatliche Unabhängigkeit
gegen die neuen Besatzer durchzusetzen. Damit war man aber aus mehreren Gründen
gescheitert. Zum einen wurde – wie bereits erwähnt – von den Deutschen eine Vertretung der Litauer geduldet, die zwar an die Weisungen der Okkupanten gebunden war,
aber der Bevölkerung doch den Anschein einer Repräsentation gab. Auch war Litauen
nicht dem Deutschen Reich angeschlossen, sondern seine eigenen Beamten, die von
den Sowjets entlassen worden waren, waren wieder in der Verwaltung eingesetzt worden.102 Zudem waren nur wenige von ihnen einer physischen Verfolgung ausgesetzt –
100 Dahms, S.98.
101 Gerutis (1984), S.347 f.
102 Mačiuika (1963), S.59.

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wie oben erwähnt waren die Rekrutierungen von Soldaten und Sklavenarbeitern nur in
geringem Maße erfolgreich; der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten fielen vor allem Juden zum Opfer. Kann man in diesem Fall zwar nicht von Kollaboration103 sprechen – in Einzelfällen kam sie natürlich vor –, so wirkte hier jedoch ein
ähnliches Moment wie im Land der Täter: Man sah weg. All diese Tatsachen ließen
die Litauer während des Krieges die deutsche Besatzung mehr oder weniger geduldig
ertragen und motivierten sie nicht zum aktiven Widerstand.
Zum anderen erschwerte die Furcht vor einer Rückkehr der Sowjets die Opposition
gegen die Nationalsozialisten.104 Wollte man eine erneute Okkupation durch die Sowjetunion vermeiden, konnte man nicht deren Hauptfeind, die Deutschen, bekämpfen.
Natürlich waren auch die Besatzer nicht an litauischem Widerstand interessiert, was
sie zu Gegenmaßnahmen – wie die oben beschriebene Festnahme der gesamten litauischen Führung – veranlaßte.
Wie immer, wenn sich zwei ungleiche Kontrahenten gegenüberstehen, gibt es nur
wenige Möglichkeiten für den schwächeren Rivalen, sich gegen den stärkeren durchzusetzen. Doch war auch das ambivalente Verhältnis gegenüber den Deutschen – einerseits Feind, andererseits kleineres Übel – dafür verantwortlich, daß der Widerstand,
der die Vorgeschichte des Partisanenkampfes gegen die Sowjets darstellt, scheiterte.
Denn wenig später sollte die Bekämpfung eines gemeinsamen Feindes zeigen, zu was
für Handlungen dieses Volk fähig ist.
b. Die Rückkehr der Roten Armee
Die sowjetische Frühlingsoffensive ermöglichte der Roten Armee ein schnelles Vordringen nach Westen. Mit der „Präzision eines Uhrwerks „ (Rauch) unterstützten sich
die benachbarten sowjetischen Einheiten, die die Deutschen auf diese Weise weniger
vernichteten, als vielmehr zermürbten.105 Als im Sommer 1944 die westlichen Alliierten in der Normandie landeten, begann die Sowjetunion ihre Sommeroffensive, die sie
schließlich auch ins Baltikum führte. Dort wurden die sowjetischen Truppen – anders
als die deutschen im Jahre 1941 – nicht als Befreier begrüßt, sondern stießen auf große
Ablehnung.
Hatten sich sowjetische Einheiten im Jahre 1940 noch des Baltikums durch politischen Druck bemächtigt, so war jetzt Krieg, was jegliche Konsultation mit litauischen
103 Wieder stehen den Greueltaten der LAF (Dahms, S.88) die Appelle der Provisorischen Regierung
(Handrack, S.78) und der Kirche (Dahms, S.93) zur Beendigung der Judeneliminierung gegenüber.
104 Gerutis (1984), S.330.
105 Rauch, S.417.
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Vertretern erübrigte; schließlich sah man die Baltenrepublik als Bestandteil der Sowjetunion an. Zusätzlich spielten die grausamen Erlebnisse der Rotarmisten bei ihrem
Vormarsch nach Westen, die ihnen das Bild eines von den Deutschen ausgebeuteten
Landes und mißbrauchter Menschen darboten und ihre Hemmschwelle auf ein Minimum absinken ließen, eine gewichtige Rolle. Dieser Unterschied zwischen der ersten
und zweiten Besetzung Litauens machte sich auch psychologisch bemerkbar: Vier Jahre zuvor war man in ein fremdes Land gekommen, das einem durch seine Westorientierung fremd war und das man aufgrund dessen für höher entwickelt hielt; jetzt aber
fühlte man sich nicht mehr unterlegen, da man der siegreichen Roten Armee angehörte.106 Jeder Widerstand konnte nur als reine Provokation gelten.
Bei ihrem Vordringen ins Baltikum bedienten sich die sowjetischen Einheiten einer
Doppelstrategie, um den Widerstand möglichst gering zu halten und schließlich auszuschalten. Einerseits wurden, bereits kurz nachdem die baltischen Städte eingenommen
worden waren, in ihnen die Dienststellen des NKVD wieder eingerichtet. Sie hatten
die sich unmittelbar an die Eroberung anschließende Einberufung zur Roten Armee zu
organisieren und durchzuführen.107 Auch richteten diese Stellen sofort nach der Wiederbesetzung Überprüfungskommissionen ein, die das Verhalten der Bevölkerung
während der deutschen Besatzung zu durchleuchten hatten, was schon bei Personen,
deren Glaubwürdigkeit angezweifelt wurde, die Verhaftung oder gar Deportation zur
Folge haben konnte.108 Andererseits merkte man schnell, daß diese teilweise von Terror begleiteten Aktionen nicht dazu dienten, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen.
Zehntausende109 flüchteten ins westliche Ausland oder gingen in den Wald, um von
dort aus den Kampf gegen das neue Besatzungsregime aufzunehmen. Im Herbst 1944
entschloß man sich deshalb auf sowjetischer Seite, Versuche zu unternehmen, die Untergrundkämpfer für die Rote Armee zu gewinnen. Doch wegen ihres nationalen Hintergrundes lehnten diese mit Verweis darauf, daß sie nicht bereit seien, für eine fremde
Macht zu kämpfen, das Ansinnen der Sowjets ab.110 Wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Okkupanten und Besetzten, vor welchen die Führung des Widerstandes warnte, weil sie dadurch nur größere Repressalien erwarteten. Doch ließen sich

106
107
108
109

Swettenham, S.155.
Žemaitienė, S.27.
Mačiuika (1963), S.77.
Lozoraitis (S.83) spricht von 60.000 Menschen, vor allem Intellektuellen, die nach Großbritannien,
Nordamerika, und Australien gingen. Die Zahlen der in den Wald Geflüchteten werden später
noch näher behandelt.
110 Hermann, S.93.

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viele nicht zurückhalten, was zu Wellen von Gewalt führte; Žymantas spricht vom
Ausbruch eines unerklärten, spontanen Krieges.
2. Die Voraussetzungen für den Kampf der Litauer gegen die sowjetische Besatzung
Bislang standen die politischen Ereignisse im Mittelpunkt dieser Arbeit. Im Zusammenhang mit der deutschen Okkupation wurde insbesondere auf die Entwicklung der
äußeren Umstände hingewiesen, die die Ablehnung gegen die Besatzungspolitik in der
litauischen Bevölkerung hervorriefen. Auf eine Darstellung der Gründe für den Rückzug in die Illegalität und die Organisation des Widerstandes ist weitgehend verzichtet
worden. Der Hauptgrund dafür liegt darin, daß während der deutschen Besetzung der
Widerstand zwar vorbereitet war, sich aber doch eher spontan vollzog. Zudem herrschte Krieg, der andere – überlebensnotwendige – Fragen in den Vordergrund stellte. Erst
die Erfahrung daraus und die Befriedung des Landes ließen die Opponenten der Sowjets zu schlagkräftigeren Mitteln greifen und den Untergrund erfolgreicher organisieren. Jedoch wurde das gemeinsame Ziel wieder nicht erreicht: Litauen blieb für ein
halbes Jahrhundert sowjetisch.
a. Bewaffneter Kampf auf „verbrannter Erde“
Die Wehrmacht hatte im Baltikum „verbrannte Erde“ hinterlassen; und das nicht nur
im wörtlichen Sinn, sondern auch personell war diese Landschaft erschöpft. Sei es, daß
im Gefolge der abziehenden deutschen Armee viele Menschen das Land verließen, sei
es, daß die Nationalsozialisten die litauische Führung geschwächt, wenn nicht gar zerstört hatten, wie die Zerschlagung des VLIK zeigt. Hinzu kamen noch die Opfer des
von den Deutschen entfachten Krieges. Unter diesen Umständen war es außerordentlich schwer, die neue Besatzungsmacht abzuwehren. Jedoch konnte die antisowjetische Opposition auch Vorteile aus dem Nachkriegschaos ziehen, und das wurde zum
Kennzeichen des neuen Kampfes.
Die aufgeriebene Wehrmacht hatte außer Ruinen auch Waffen im Land zurückgelassen. Durch die Westverlagerung der deutsch-sowjetischen Front herrschten zeitweise
anarchische Verhältnisse in Gebieten, die von den Deutschen verlassen worden waren
und die die Rote Armee noch nicht erreicht hatte; so auch in Litauen. In diesem
Durcheinander, das noch dadurch verstärkt wurde, daß sowjetische Partisanen gegen
nationale Untergrundbewegungen praktisch einen Guerillakrieg führten,111 war es
111 Diese Auseinandersetzungen zwischen kommunistischen und nationalistischen Partisanen waren
kein Phänomen allein des Baltikums, sondern kennzeichneten auch die unmittelbare NachkriegssiOsteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

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nicht schwer, sich zu bewaffnen. So kamen auch viele Gegner des Sowjetsystems in
den Besitz von deutschen und sowjetischen Gewehren und Maschinenpistolen,112 die
den Litauern aus ihrem Dienst in den Nationalsozialisten unterstellten Einheiten oder
in der Roten Armee geblieben waren, oder die sie durch direkte Verhandlungen mit
den Deutschen im August und September 1944 erhielten, die eigens dafür Depots angelegt hatten.113
Soweit sie nicht geflohen waren, zogen sich die bewaffneten Kämpfer in die den
Sowjets unbekannten Wälder zurück. Im November 1944 hielten sich dort bereits über
30.000 Menschen auf, die sich für einen Partisanenkampf gegen die neuen Besatzer
entschieden hatten.114 Im Untergrund hatten sich lediglich die Strukturen der LLA
gehalten, deren Organisationen „schon im Jahre 1943 in allen Kreisen und Orten Litauens gegründet worden waren und einige tausend Gleichgesinnte zählten“115. Aber
im Januar 1944 war von ehemaligen Generalen der bürgerlichen Armee Litauens ein
Kriegsrat gebildet worden, der alle Gegner einer Fremdherrschaft vereinigen wollte.
Nach dem Einmarsch der Roten Armee sah sich der Kopf dieses Rates, General Motiejus Pečiulionis, im August desselben Jahres veranlaßt nach Žemaiten zu fliehen, wo er
den Führer der LLA, Kazys Veverskis116 (Senis)117, traf, mit dem er das Litauische
Verteidigungskomitee (Lietuvos gynimo komitetas/LGK) gründete, das die Führerschaft des Untergrundkampfes übernehmen sollte.118 Inzwischen hatte es die neue Situation – die Rote Armee hatte bis Oktober ganz Litauen „befreit“ und seine Behörden
wieder belebt119 – erforderlich gemacht, die Einheiten der LLA zu reorganisieren.
Schließlich galt es auch, die neuen Kämpfer zu integrieren sowie der gewachsenen
Verbreitung der LLA in den Dörfern Rechnung zu tragen. Im Dezember begann eine
Neueinteilung der Gebiete: aus den ursprünglich vier Regionen der LLA wurden letztlich bis zu neun.120

112
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tuation in den wiedergewonnenen Westgebieten der Sowjetunion. Auf das Kräfteverhältnis im Baltikum, sowie in Weißrußland und der Ukraine wird in Kapitel II.3.d. noch näher eingegangen.
Lohr, S.28 f.
LYA. Ap. 46. B. 3878. Weiter spricht diese Quelle von der Ausbildung von 100 Mitgliedern der
LLA an deutschen Aufklärungsschulen.
Gerutis (1984), S.360; Žemaitienė, S.27.
LYA. Ap. 46. B. 3878.
Veverskis war im Jahre 1940 als Student aus Vilnius nach Deutschland geflohen. Nach der Besetzung durch die Nationalsozialisten kehrte er an seine Universität zurück, wo er die LLA gründete,
die später als reguläre Armee eines befreiten Litauens fungieren sollte. (LYA. Ap. 46. B. 3878).
Die im folgenden in Klammern angegebenen Namen bezeichnen die Kampfnamen der Personen.
LYA. Ap. 46. B. 3878.
Mačiuika (1963), S.74.
Žemaitienė, S.28 f.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

Die Gründung von weiteren Untergrundbewegungen hielt auch im Jahre 1945 an. Im
April hoben Oberst Liudvikas Butkevičius (Luobas)121 und Zigmas Raulinis (Dobilas)
die Litauische Partisanenunion (Lietuvos Partizanų Sąjunga/LPS) aus der Taufe. Sie
sammelten sich in dieser neuen Organisation aus Protest gegen die panischen Reaktionen des Widerstandes, der es verpaßt hatte, nach dem Rückzug der Deutschen die
Kräfte zu bündeln. Ziel war es nun, die anderen Gruppen an die LPS heranzuführen.122
Als Vorsitzender der LPS firmierte Butkevičius, zu seinem Stellvertreter wurde Matas
Mastkauskas (Vilkas) berufen.123 Schließlich wurde im September auf Initiative des
Stabes der eben erst gebildeten Tauras-Region das VLIK wiederbelebt, das nun einfach unter dem Namen Litauisches Befreiungskomitee (Lietuvos Išlaisvinimo Komitetas/LIK) firmierte.124 Der im Frühling geschaffene Litauische Befreiungsrat (Lietuvos
Išlaisvinimo Taryba/LIT), der kurzzeitig zur wichtigsten Organisation wurde, war bereits im Mai aufgeflogen und zerschlagen worden.125 Wieder war der Zweck dieser
Gründung die Vereinheitlichung und Zentralisierung des Widerstandes. So nimmt es
auch nicht wunder, wenn erneut Butkevičius den Vorsitz übernahm.126
Trotz der Schaffung neuer Zentren mit politischer Ausrichtung darf nicht übersehen
werden, daß es eine klare Verlagerung hin zu einer ausgeprägten Kampfbereitschaft
gab. Während die litauische Opposition zur Zeit der ersten sowjetischen und dann nationalsozialistischen Besetzung des Landes noch hoffte, mit Hilfe der Politik ihre Ziele
erreichen zu können, so war ihr jetzt klargeworden, daß dies auf Grund der sich geänderten weltpolitischen Lage nicht mehr ausreichte, sondern aktive, offensive Maßnahmen erforderte. So ist das Kennzeichen des Widerstandes gegen die zweite sowjetische
Okkupation der von Militärs, die von einer kurzen Sowjetherrschaft ausgingen,127 organisierte bewaffnete Kampf gegen die Besatzer.

121 In der Quelle LYA. Ap. 46. B. 3878 wird Butkevičius zunächst fälschlicherweise das Pseudonym
Kazimieraitis zugeordnet, das Gaškaitė Juozas Vitkus zuschreibt.
122 Kasparas, S.364 f.
123 LYA. Ap. 46. B. 3878.
124 Kasparas, S.554; In sowjetischen Quellen erscheint nach wie vor die Bezeichnung VLIK.
125 Daumantas, S.66 f.
126 Seine Stellvertreter wurden Kapitän Leonas Taunys (Kovas), der Geistliche Antanas Ylius (Vilkas)
und Vaclovas Punelis (Tautvidas). (LYA. Ap. 46. B. 3878).
127 Vardys (1965), S.100.
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b. Militärische, personelle und ideelle Unterstützung
Im Stadium der beginnenden Auseinandersetzung waren die „Waldbrüder“128, wie die
litauischen Untergrundkämpfer genannt wurden, nicht auf sich alleine gestellt. Noch
lebten in den Gebieten, die erst nach 1940 zu Litauen kamen, Reste anderer Nationalitäten. So war die Gegend um Vilnius mehrheitlich von Polen besiedelt; im Memelland,
das nach dem Krieg wieder litauisch geworden war, gab es noch deutsche Bevölkerung. In Nordlitauen lebt seit jeher eine lettische Minderheit. Bei all diesen Völkern
war die Ablehnung der sowjetischen Okkupation groß. Deshalb fanden sich in Reihen
der Partisanen zu Beginn des Kampfes auch Letten und deutsche Ostpreußen129 sowie
– wie das Beispiel Adelbert Lohrs zeigt – übriggebliebene Wehrmachtsangehörige.
Wegen ihrer Konzentration im südlitauischen Raum und ihrer relativ großen Anzahl
war es einzig den Polen gelungen, einen nationalen Untergrund in Litauen aufzubauen:
Sie schufen die Polska Armia Wojskowa.130 Erst als die polnische Bevölkerung auf
Grund eines Vertrages mit der Sowjetunion im Jahre 1945 zwangsweise in das nach
Westen verschobene Polen übersiedeln mußte, war dieser Widerstandsherd gelöscht.131
Wie schwierig sich eine Umsiedlung gestaltete, belegen Unterlagen der Hauptverwaltung zur Banditenbekämpfung des NKVD (GUBB). Darin wird die Tatsache beklagt,
daß bis 1. Juni 1945 erst 27.030 der beabsichtigten 334.000 Personen umgesiedelt
werden konnten, während 306.970 weiterhin in der Litauischen SSR lebten. Antisowjetische Kreise werden verantwortlich für diese Verzögerung gemacht, die seit Mai
verstärkt die Wiederherstellung des polnischen Staates in den Grenzen von 1939 forderten und einen Krieg Großbritanniens und der USA gegen die UdSSR voraussagten.
Insbesondere dem Hauptbevollmächtigten der polnischen Provisorischen Regierung
für Evakuierungsangelegenheiten in der Litauischen SSR, Stanisław Ochocki (russ.
Stanislav Stanislavovič Ochockij) wurde zusammen mit seinen Helfern vorgeworfen,
die Rücksiedlung zu vereiteln und antikommunistische Propaganda zu betreiben. „Seit
Beginn der Arbeit der Repatriierungskommission haben Ochockij und seine Mitarbeiter die Übersiedlung von Polen aus Litauen nach Polen auf verschiedene Weise behindert. Verbunden mit polnischen Nationalisten organisierte Ochockij die Ausreise (...)
aktiver Teilnehmer des polnischen Untergrundes. Polen, die Ochockij nach Polen (...)
128 Weitere Bezeichnungen für die Partisanen finden sich bei Lohr (S.26); so: „Grüne Armee“ oder
„Waldmenschen“.
129 Gerutis (1984), S.357.
130 Dabei handelt es sich wohl um den litauischen Zweig der nationalen Heimatarmee (Armia Krajowa/AK).
131 Vardys (1978), S.70.

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gebracht hat, verbreiteten in Polen provokative Gerüchte und verleumderische Erfindungen gegen die Sowjetunion und die polnische Provisorische Regierung.“132 Um
dieses Problem in den Griff zu bekommen, wurden auf Befehl des Volkskommissars
für Inneres der UdSSR , Lavrentij Pavlovič Berija, unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. Zum einen wurde das Volkskommissariat für Verkehrswege zusammen mit
dem Rat der Volkskommissare der Litauischen Republik beauftragt, schnellstmöglich
einen Plan zum Abtransport von Polen zu erarbeiten. Darüber hinaus machte man sich
zum anderen Gedanken über die Zukunft Ochockis, der ebenso wie 500 weitere Polen
festgenommen werden sollte. Schließlich waren alle, die sich einer Umsiedlung widersetzten, im Zwangsverfahren nach Polen zu bringen.133 In einem Befehl vom 1. September 1945, der eine Verstärkung der Anstrengungen bei der Banditenbekämpfung
anordnete, wird das Problem mit den Polen schon nicht mehr erwähnt.134 Dagegen
wird in einem Bericht vom 28. August, der die Erfolge der GUBB zwischen dem 1.
Juni und dem 25. August den Chefs des NKVD, L.P. Berija, und des NKGB, V.N.
Merkulov, nach Moskau meldete, mitgeteilt, daß der Stab der polnischen Untergrundarmee (hier: Armia Krajowa) liquidiert worden sei.135 Somit kann man den Widerstand, der von der polnischen Bevölkerung ausging, Mitte des Jahres 1945 als beendet
betrachten; die meisten hatten das Land verlassen.
Allerdings gab es genügend Litauer, die bleiben mußten und sich zum Kampf entschlossen. Ab dieser Zeit kann man nun endgültig von einem nationalen Untergrund
sprechen, der sich von dem des Vorkriegsjahres insofern unterschied, als jetzt die Litauische Sowjetrepublik ethnisch homogener geworden war, da die Deutschen und Polen vertrieben und die Juden vernichtet worden waren. Obwohl es auch vereinzelt
russische Kämpfer im Widerstand gab, kann man davon ausgehen, daß die meisten
Russen Sympathisanten der Sowjets waren.
Aber die Kämpfer im Wald blieben nicht allein mit ihrer Ablehnung gegenüber den
kommunistischen Machthabern. Große Unterstützung erfuhren sie von seiten der katholischen Kirche. Schließlich war sie selbst ein natürlicher Feind des Kommunismus.
Zudem wirkte sie – und wirkt noch heute, wie das Beispiel des (fast) friedlichen Umbruchs von 1991 gezeigt hat – identitätsstiftend. Als das letzte in Europa christianisierte Volk wehrte sich die litauische Nation von jeher gegen fremde Einflüsse und suchte
Halt in den tradierten Werten ihrer Vorfahren. So verwundert es nicht weiter, daß die
132
133
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135

GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.9.
Ebd., S.11 f.
Ebd., S.252 ff.
Ebd., S.198.

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Aufnahmerituale bei den Partisanen einen halbreligiösen Charakter hatten: Zur Initiation in den Kreis der „Waldbrüder“ mußte man Kreuz und Bibel sowie manchmal auch
ein Gewehr küssen.136 Einige der neuen Kämpfer gelangten erst durch die Kirche in
den Untergrund,137 wo Priester ihre Dienste anboten und teilweise auch mitkämpften,138 was sie allerdings in schwere Gewissensnöte brachte, denn nun hieß Widerstand
zu leisten, gelegentlich zu töten. Damit verstießen sie – wie ein Bischof mahnte – gegen das Gebot: „Du sollst nicht töten!“ Vorbei waren die Jahre, als man hauptsächlich
mit der Zunge und der Feder gegen das Regime aufbegehrte – obwohl sich die Publizistik nun auch wieder entfaltete.
Die Untergrundpresse in Litauen hatte bereits Tradition. Nicht nur, daß die ersten
Bücher, die in litauischer Sprache erschienen waren, illegal in Ostpreußen gedruckt
worden sind, sondern auch als im Russischen Reich das politische Bewußtsein der Bevölkerung erwacht war, wurden in immer umfangreicherem Maße Schriften von sogenannten „Bücherträgern“ (litauisch: knygnesys) ins Land gebracht.139 Schon zu Zeiten
der nationalsozialistischen Besetzung hatte es sich als notwendig erwiesen, die Vorhaben, Ideen und Appelle der Untergrundbewegungen zu veröffentlichen, um die Bevölkerung von deren Absichten in Kenntnis zu setzen. So wurde das Volk immer wieder
von den Zusammenschlüssen der verschiedenen Organisationen unterrichtet, was im
Fall des VLIK insofern wichtig war, als jetzt der Widerstand das erste Mal mit einer
Stimme sprach. Seine Deklarationen wurden schließlich in Zeitungen publiziert.140
Trotz der Zentralisierung der antideutschen Opposition blieb es aber bei einer Vielzahl
von Blättern.141 Das hatte mehrere Gründe: Zum einen blieb es bei den kleinen Einheiten, die sich zwar am VLIK orientierten, aber auf Grund von Kommunikationsproblemen auf sich selbst angewiesen waren; eben solche infrastrukturellen Hindernisse
führten zum anderen zu weiteren Komplikationen bei der Verteilung, da nur überschaubare Gebiete beliefert werden konnten. Umso erstaunlicher ist es, daß einige Zeitungen es bis zu einer Auflage von bis zu 20.000 Exemplaren brachten. Jedoch kam es
auch zu großen Schwierigkeiten durch Verfolgungen von seiten der Okkupanten, die
die Verbreitung von Publikationen hart ahndeten und schließlich sogar eigene Blätter

136
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140
141

36

Vardys (1965), S.96.
Remeikis, S.31.
Vardys (1978), S.71.
Handrack, S.73.
Gerutis (1984), S.343.
Handrack (S.86) spricht von 26 illegalen Zeitungen, die während der deutschen Herrschaft herausgegeben wurden, während zur gleichen Zeit nur 18 genehmigte erschienen.
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herausgaben, um ihre Ideologie dem Volk nahe zu bringen.142 In den Zeitungen spiegelten sich alle politischen und religiösen Ansichten wider, gegen Ende der Besatzung
setzte sich aber eine angelsächsische Ausrichtung durch,143 wofür wohl die Quellen
und Informationen verantwortlich waren, die durch Abhören westlicher Hörfunkprogramme beschafft wurden. Zusätzlich konnte der litauische Untergrund für sich in Anspruch nehmen, als einziger im besetzten Europa über eine eigene Radiostation zu
verfügen.144
Nach dem Krieg und der neuerlichen Okkupation durch die Sowjetunion wurde es
wegen der strikteren Verfolgung durch die sowjetischen Organe schwieriger, die alten
Informationswege zu benutzen. Dennoch konnten noch bis in die fünfziger Jahre hinein Zeitungen regelmäßig erscheinen;145 und das, obwohl in den direkten Nachkriegsjahren Papiermangel herrschte. Dem wurde dadurch Abhilfe geschaffen, daß man sich
bei denjenigen bediente, die über ausreichend Papier verfügten: Durch Überfälle auf
Behörden sorgte man für Nachschub.146 So konnte sich in der Litauischen SSR, deren
Organe erbitterte Gegenpropaganda betrieben,147 eine reichhaltigere Presselandschaft
entwickeln als zur Zeit der deutschen Besetzung. Bei Auflagen zwischen 50 und 5.000
wurden 54 Periodika und 18 weitere Publikationen herausgegeben, darunter einige, die
erst im Jahre 1957 ihr Erscheinen einstellten.148 Ihre Aufgabe sahen beide Arten von
Blättern – die regelmäßig erscheinenden und die ausschließlich appellativen – in der
Dokumentation sowjetischer Verbrechen, vor denen man die Bevölkerung schützen
wollte.149 Meist wurden sie konspirativ und nur an Personen verteilt, zu denen man
Vertrauen hatte. Deshalb konnte erneut eine Zentralisierung gar nicht gelingen, was
wohl auch zur Vielfalt der Publikationen beitrug.
c. Personal, Alltag und Motivation des litauischen Widerstandes
Wer waren nun diese Leute, die sich für ein Leben im Wald entschieden hatten? Wie
sah dieses Leben aus und warum nahmen sie es auf sich? Einleitend ist schon vom
Willen des litauischen Volkes, die staatliche Unabhängigkeit wiederherzustellen, die

142
143
144
145
146
147
148

Gerutis (1984), S.337 f.
Vardys (1965), S.78.
Handrack, S.86.
Vardys (1965), S.99.
Tauras, S.44.
Zur sowjetischen Presse dieser Jahre siehe Laurinajtis.
In der Zeit zwischen 1946 und Frühling 1953 kam die Zeitung der Kęstutis-Region Laisvės Varpas
– eines der bedeutendsten Blätter – auf 176 Ausgaben. (Žemaitienė, S.34).
149 Vardys (1997), S.83.

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Rede gewesen. Aber reichte das alleine aus, sich für Jahre aus dem „normalen“ Leben
zu verabschieden; oder wäre dieses Leben gar nicht so normal gewesen?
Als im Sommer und Spätherbst 1944 die 3. Weißrussische Front unter General Ivan
D. Černjachovskij Litauen einnahm, hatten sich im Untergrund bereits Widerstandseinheiten gebildet, die zum Partisanenkampf entschlossen waren. Dieser Zusammenschluß war zwar meist spontan geschehen, doch waren die Gründe dafür im
Kontext mit der Vergangenheit und einer sich abzeichnenden Entwicklung zu sehen.
Bei der Behandlung der Frage, was die Leute in den Widerstand trieb, wurden von den
verschiedensten Autoren immer wieder dieselben Erklärungen ins Feld geführt.150 Dabei kann man die Motive für den Gang in die Illegalität grob unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen: einem empirischen, einem ideologischen und einem realen.
Wie erwähnt fürchteten die Litauer eine neuerliche Besetzung durch die Sowjets
sehr. Noch waren die Erfahrungen der ersten Okkupation gegenwärtig, an deren Ende
die Massendeportationen gestanden hatten. Die Angst vor Terror, der auch gegen die
Angehörigen von Kämpfern ausgeübt wurde, mischte sich mit dem Wissen um die
Möglichkeit, den Besatzern zu trotzen. Hatte man nicht im Jahre 1941 die Sowjets vertrieben und sich den Rekrutierungsversuchen der Nationalsozialisten erfolgreich widersetzt?
Doch standen jetzt erneut Einberufungen – diesmal zur Roten Armee – an.151 Außerdem begannen die sowjetischen Behörden bald nach dem Einmarsch, die Sowjetisierung zu forcieren. Umfangreiche Repressalien waren die Antwort auf einen
Widerstand, der die politische und wirtschaftliche Neustrukturierung des Landes ablehnte.
Schließlich war die Ausrichtung nach Westen ausschlaggebend für Hoffnung auf ein
baldiges Ende der Besatzung. Genau wurde in Litauen das Weltgeschehen beobachtet.152 So hatte man erfahren, daß auf den Konferenzen der „Großen Drei“ verschiedene Papiere verabschiedet worden waren, die das Selbstbestimmungsrecht der Völker
würdigten: so die Atlantik-Charta, die Genfer Konvention, die Deklaration der Menschenrechte durch die UNO u.v.a.153 Da man inzwischen erkannt hatte, daß diese Vorgaben kaum von der Sowjetunion eingehalten würden, und weil man die sich
verschärfende weltpolitische Lage vor Augen hatte, spekulierten die Litauer, daß bei
150 Gerutis (1984), S.354; Remeikis, S.31; Vardys (1965), S.86 f.; Vardys (1997), S.81 f.
151 Alle zwischen 1909 und 1926 Geborenen sollten eingezogen werden. (Remeikis, S.31).
152 Die Informationen erhielt man durch Radiohören, vor allem empfing man die englische BBC.
(Tauras, S.89).
153 Žemaitienė, S.28.

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Nichteinhaltung der Verträge durch die Sowjetunion die Westmächte einen Krieg vom
Zaun brechen würden, um das Verabschiedete einzufordern. Am Ende einer solchen
Auseinandersetzung – so das litauische Kalkül – stünde die staatliche Souveränität der
kleinen Völker.
Trotz all dieser politischen Überlegungen gehörte die Mehrheit der Untergrundkämpfer nicht der Intelligenz an oder war während der Zeit der Unabhängigkeit politisch aktiv gewesen. Die geistige Führungsschicht hatte – wie bereits erwähnt – zum
größten Teil das Land verlassen oder war verhaftet worden. Jetzt setzte sich die „Grüne Armee“ aus Personen aller sozialen Milieus zusammen. In ihr dienten sowohl Arbeiter und Kleinbauern, als auch Studenten, Schüler sowie Beamte und ehemalige
Offiziere. Auch suchten Priester und Veteranen des Unabhängigkeitskampfes Zuflucht
im Wald.154 Dort blieben die überwiegend jungen Leute im Durchschnitt zwei Jahre
und kehrten danach in die Legalität zurück.155 Meist flohen sie vor dem Dienst in der
Roten Armee, hatten Arbeitsvorschriften verletzt und fürchteten nun das in der StalinVerfassung von 1936 verbürgte „Recht auf Ruhe“, womit eine Gefängnisstrafe umschrieben wurde.156 Andere wurden zum Zwecke der Kollaboration vom NKVD freigelassen, suchten dies aber zu umgehen, indem sie sich den Partisanen anschlossen.
Schließlich gab es viele, die den Wellen der Gewalt entgehen wollten und sich zum
Kampf gegen die sowjetische Besatzung entschlossen.157 Sie alle unterstellten sich Offizieren, die früher die litauische Armee befehligt hatten oder einfach Lehrer, Polizisten oder Studenten gewesen waren.158 Von der alten Armee übernahmen sie die
Uniformen, die später auch die Hierarchie innerhalb des Untergrundes manifestieren
sollte.159 Lohr, der kein „regulärer“ Partisan war, beschreibt sehr anschaulich das
Waldleben der Widerstandskämpfer. So trug er keine Uniform, sondern war auf Kleidung angewiesen, die die Frauen aus Flachs und Schafswolle herstellten. Im Krankheitsfall mußte man auf Bauern zurückgreifen, die Medikamente besorgten, welche
von den Sanitätern unter den Partisanen als notwendig zur Behandlung des Leidens
angesehen wurden.160 Von Bauern abhängig waren die „Waldbrüder“ auch bei der

154
155
156
157
158
159
160

Gerutis (1984), S.357.
Vardys (1997), S.81.
Daumantas, S.52.
Vardys (1965), S.91.
Žemaitienė, S.35.
Ebd., S.29.
Lohr, S.50 f.

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Versorgung mit Nahrungsmitteln, die ihnen bereitwillig gegeben wurden.161 Als die
Behörden aber die Lebensmittelproduktion strenger überwachten und die Abgabequoten erhöhten, kam es zu Engpässen. So entschloß man sich zu Beschlagnahmungen
von Gütern und stellte Quittungen einer „Armee des Freien Litauens“ aus, um die
Landwirte vor den Behörden zu schützen, denen sie sich anhand der Belege als Opfer
eines Überfalls darstellen konnten.162 Nach solchen Aktionen trat man wieder den
Rückzug in den Wald an, wo man in Bunkern lebte. Wegen der Gefahr aufgespürt zu
werden, wurden die Unterschlüpfe immer wieder gewechselt. Im Falle einer Entdeckung waren die Partisanen angehalten, sich zu töten und zu verstümmeln, um eine Identifizierung zu verhindern, die ihre Angehörigen gefährdet hätte.163 Aus demselben
Grund wurde den Kämpfern verboten, an Feiertagen ihre Familien zu besuchen, denn
man ging direkten Konfrontationen mit dem NKVD möglichst aus dem Weg.164 Dennoch blieben die Partisanen nicht untätig: Da sie das Land beherrschten, während den
Sowjets die Städte vorbehalten blieben, versuchte man dort, solange wie möglich den
Aufbau einer Verwaltung zu verzögern, die bereits bestehenden Institutionen zu zerstören, Dokumente zu vernichten, Gefangene zu befreien oder Angehörige der Besatzungsmacht zu entwaffnen.165 Es entwickelten sich in Litauen zwei unterschiedliche
Systeme: Das eine übte seine Herrschaft tagsüber vor allem in den Städten aus, während das der Untergrundkämpfer seinen Einfluß insbesondere in der Nacht auf die
ländlichen Gebieten nahm.166 Das hieß, daß die Partisanen auch Aufgaben der Justiz
und der Exekutive wahrnahmen: Der Kollaboration Verdächtige wurden bestraft, Verbrechen dokumentiert, das Leben und Eigentum des einzelnen geschützt.167 Dazu beriefen sie eigens Gerichte ein und erließen Dekrete. Bei Feststellung der Kollaboration
wurde – oftmals in Abwesenheit des Angeklagten – die Todesstrafe verhängt.168 Diese
Art von Selbstjustiz sollte die Wankelmütigen in der Bevölkerung davon abhalten, die
fortschreitende Sowjetisierung zu unterstützen.169 Gerade darin lag die Hauptantriebskraft des litauischen Widerstandes: Man suchte die Etablierung der sowjetischen
Machtorgane zu verhindern oder zumindest die Maßnahmen, die dazu führen sollten,
161 Lohr (S.41) spricht von einer überwältigenden Unterstützung: "Etwa 97% der Bevölkerung stand
auf unserer Seite (...)."
162 Lohr, S.40 f.
163 Žemaitienė, S.35.
164 Tauras, S.85.
165 Žemaitienė, S.29 f.
166 Remeikis, 37.
167 Tauras, S.98.
168 Vardys (1965), S.99.

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zu behindern. Hierzu gehörte schließlich auch die erbitterte Bekämpfung der sogenannten „Vernichter“ (russisch: istrebiteli; litauisch verballhornt: stribai), die von den
Sowjets aus der einheimischen Bevölkerung rekrutiert wurden, um einen Bürgerkrieg
zwischen den Nationalisten und dem Arbeitervolk zu entfachen,170 damit die kommunistische Machtergreifung auch dialektisch begründet war. Diese aus „Kriminellen und
Bodensatz“ (Gerutis) bestehenden istrebiteli, deren Abteilungen in jeder Gemeinde aus
dreißig Mann zu bestehen hatten und NKVD-Offizieren unterstellt waren, waren zunächst das Hauptangriffsziel der Partisanen. Jedoch scheiterte ihre Mission auf Grund
ihrer schlechten Ausrüstung. Es war diese Mischung aus Behinderung und Offensive,
die den Kampf der litauischen Partisanen kennzeichnete.
Dieser Widerstand wurde von drei Stützen getragen. Zum einen gab es die aktiven
Gegner der Sowjetmacht, die sich in Bunkern oder auf Höfen versteckt hielten, um jederzeit von dort aus losschlagen zu können. Unterstützt wurden sie zum anderen von
Personen, die ihrer Arbeit nachgingen und abrufbereit waren, um den im Untergrund
operierenden Kämpfern vor allem nachts Beistand zu leisten. Schließlich gab es noch
die unbewaffneten Unterstützer, die die „Waldbrüder“ mit Informationen und Verpflegung versorgten und ihnen Unterschlupf gewährten. Sie machten das Gros der litauischen Opposition aus, die nun – anders als zu Zeiten der deutschen Besatzung – kaum
noch Kontakt zum Ausland unterhielt und zunehmend isoliert war. Lediglich lose Verbindungen gab es zu den Geheimdiensten Schwedens, der USA und Großbritanniens.171
3. Die Bekämpfung der litauischen Partisanen durch das NKVD – Akten des GUBB
als Beleg für dessen Bedeutung in der sowjetischen Politik
Wie in der Russischen Föderativen Sozialistischen Sowjetrepublik (RSFSR) wurden in
der gesamten Sowjetunion zur Bekämpfung innerer Feinde unterschiedliche Abteilungen des Volkskommissariates für Innere Angelegenheiten (Narodnyj Komissariat
Vnutrennich Del/NKVD) eingesetzt. So auch in der Litauischen Sowjetrepublik, in die
die Truppen des NKVD im Gefolge der Roten Armee einrückten. Sie bewegten sich
immer knapp hinter der Front, um die Armee einerseits zu kontrollieren und andererseits das Einsickern von ausländischen Spionen zu verhindern.

169 Remeikis, S.36.
170 Gerutis (1984), S.361.
171 Ebd., S.355.
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a. Geschichte der sowjetischen Geheimpolizei. Kurzer Lehrgang
Das NKVD war aus der Außerordentlichen Kommission (Črezvyčajnaja Komissija/ČK; deutsch: Tscheka) hervorgegangen, die Feliks E. Dzeržinskij im Jahre 1917 zur
Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage gegründet hatte. Von 1922 bis 1934
trug sie den Namen Staatliche politische Verwaltung (Gosudarstvennoe političeskoe
upravlenie/GPU). Im Jahre 1934 wurde sie dann schließlich in NKVD umbenannt.
Nach der Umwandlung der Volkskommissariate in Ministerien im Jahre 1946 wurde
die Geheimpolizei dem Staatssicherheitsministerium (Ministerstvo Gosudarstvennoj
Bezopasnosti/MGB) angegliedert. Erst nach Stalins Tod wurde dieser Komplex im
Jahre 1954 in einem eigenständigen Komitee für Staatssicherheit (Komitet Gosudarstvennoj Bezopasnosti/KGB) untergebracht, von wo aus bis zum Ende der Sowjetunion konspirative Aktionen geplant und durchgeführt worden sind.
Ab Dezember 1938 leitete Lavrentij P. Berija als Nachfolger Nikolaj Ivanovič
Ežovs, der jetzt selbst der Aktion „Säuberung der Säuberer“ (Rauch) zum Opfer fiel,
das Volkskommissariat. Berija baute die Hauptverwaltung für Staatssicherheit (Glavnoe Upravlenie Gosudarstvennoj Bezopasnosti/GUGB) gegenüber allen anderen erheblich aus. Bestand diese Hauptverwaltung unter der Leitung Vsevolod N. Merkulov
zu Beginn des Jahres 1939 noch aus sechs Abteilungen, so waren diese bereits ein Jahr
später eigenständige Hauptverwaltungen. Ergänzt wurde der so entstandene Komplex
durch eine Untersuchungsabteilung (sledčast’).172 Dies erforderte eine Umstrukturierung des Volkskommissariats, von dem am 3. Februar 1941 per Gesetz der genannte
Bereich abgetrennt und in ein autonomes Volkskommissariat für Staatssicherheit (Narodnyj Komissariat Gosudarstvennoj Bezopasnosti/NKGB) umgewandelt wurde, was
jedoch nach Ausbruch des Krieges ein halbes Jahr später wieder rückgängig gemacht
wurde.173 Erst im April 1943 kam es wieder zu einer Trennung, um das NKVD zu entlasten. Dessen Sonderabteilungen, die die innere Sicherheit in der Roten Armee gewährleisten sollten, wurden durch die Spionageabwehrabteilung „Smerš“ (Smert’
špionam; deutsch: Tod den Spionen) ersetzt, die nun dem Volkskommissariat für Verteidigung (Narodnyj Komissariat Oborony/NKO) unterstellt wurde.174 Eng arbeitete
diese Abteilung mit den unterschiedlichen Sektionen von NKVD und NKGB beim
Kampf gegen nationalistische Partisanen zusammen. Das Führungspersonal wechselte
zwischen den verschiedenen Einheiten, wie auch deren Truppen im gegenseitigen Aus172 http://www.memo.ru/history/NKVD/STRU/by_year.htm (30.01.00, 18:25), S.5 ff.
173 Hingley, S.258 f.
174 Lewytzkyj, S.197.

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tausch zu unterschiedlichen Zwecken verwendet wurden.175 Waren die Abteilungen
der sowjetischen Geheimpolizei formell streng voneinandergetrennt, so gab es im operativen Alltag etwaige Berührungspunkte und Überschneidungen. So unterstützten
auch Grenztruppen des NKVD das – bereits oben erwähnte – GUBB, dem eigentlich
die Aufgabe der Partisanenbekämpfung zufiel, obwohl diese Einheiten anderen Hauptverwaltungen unterstellt waren.176
Das GUBB war wohl am 30. September 1941 als Abteilung zur Bekämpfung des
Banditentums (Otdel po bor’be s banditizmom/OBB) gegründet worden.177 Am 1. Dezember 1944 wurde die OBB in eine Hauptverwaltung umgewandelt. Ihre Leiter waren
in den ersten Jahren S.A. Klepov und M.A. Zavgorodnij. Letzterem folgte im Jahre
1943 A.M. Leont’ev, der dieses Amt bis zum Jahre 1947 innehatte. Als letzter Chef
fungierte bis zur Auflösung dieser Hauptverwaltung im Jahre 1950 V.S. Prošin.178
Nach Schätzungen von Starkauskas (1998, S. 515) hatte das GUBB nur etwa 170 Mitarbeiter, weshalb es auf die militärische und personelle Unterstützung anderer Organe
des NKVD angewiesen war. Das GUBB war also das Gehirn der Partisanenbekämpfung und koordinierte die durchzuführenden Aktionen. Dagegen waren die Grenzregimenter und die Truppen des Innenministeriums seine ausführenden Organe, für die die
Wiesungen des GUBB bindend waren. Darüberhinaus hatte die statistisch-informelle
Abteilung (učetno-informacionnoe otdelenie) des GUBB Berichte über dessen Erfolge
zu verfassen und die Verluste beider Seiten zu dokumentieren.179

175 Anhaltspunkte dafür liefern Akten der GUBB über die personelle Besetzung und den Truppeneinsatz in den zu schaffenden operativen Sektoren (GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.10).
176 Es bestand sowohl eine Hauptverwaltung der Grenztruppen (Glavnoe upravlenie pogranvojsk), als
auch eine Hauptverwaltung der Truppen des Innenministeriums (Glavnoe upravlenie vnutrennich
vojsk). (http://www.memo.ru/history/NKVD/STRU/by_year.htm (30.01.00, 18:25), S.15).
177 In dem Register über die Struktur des NKVD der Gesellschaft "Memorial"
(http://www.memo.ru/history/NKVD/STRU/by_year.htm (30.01.00, 18:25) , S.11) erscheint die
Abteilung erst ab dem Jahr 1941. Auch Starkauskas (1998, S.515) nennt den 30. September 1941
als Gründungsdatum. Dahingegen findet man im Archivführer des Russischen Staatsarchivs (Gosudarstvennyj Archiv Rossijskoj Federacii/GARF) die Angabe "1938" als Beginn der Existenz des
GUBB (Mironenko, S. V. (red.), Putevoditel´, tom 3, Fondy Gosudarstvennogo archiva Rossijskoj
Federacii po istorii SSSR, Moskau 1997, S.335). Da diese Fonds - bis auf die in dieser Arbeit untersuchten - nicht zugänglich sind, ließ sich nicht ermitteln, wie es zu dieser zeitlichen Diskrepanz
kommt. Vermutlich war diese Abteilung bereits früher unter anderem Namen operativ tätig und
wurde nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gegen den aufkeimenden Nationalismus der nichtrussischen Völker in der Sowjetunion eingesetzt. Eine personelle Kontinuität mit einer anderen
Abteilung ist jedoch nicht nachweisbar.
178 http://www.memo.ru/history/NKVD/STRU/by_year.htm (30.01.00, 18:25), S.11 ff.
179 Siehe GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543, S.10 ff.
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b. Das Gesicht der „Banditenbekämpfung“
Wie wichtig der Sowjetmacht die reibungslose Eingliederung Litauens in den Verband
der UdSSR war, macht die Entsendung hochrangiger Funktionäre dorthin deutlich. Bereits kurz nach dem Einmarsch der Roten Armee wurde Ivan Aleksandrovič Serov zur
Koordination und zum Aufbau des litauischen NKGB ins Baltikum entsendet.180 Als
Chef des Organisationsbüros (orgbjuro) der Litauischen SSR wurde Michail Andreevič
Suslov eingesetzt. Ihm oblag der Wiederaufbau von Partei, Verwaltung und Wirtschaft.181 Sein Nachfolger als Bevollmächtigter des Zentralkomitees der KPdSU in Litauen wurde im Jahre 1947 Vladimir V. Ščerbakov.182 Im Herbst 1944 reiste
schließlich der Stellvertreter Berijas Sergej N. Kruglov nach Litauen, um die dortige
Entwicklung zu überwachen und die Klagen seines Vorgesetzten und Stalins über den
schleppenden Erfolg der Sowjetisierungsmaßnahmen vorzubringen.183
Serov war im Schatten Stalins groß geworden und gehörte der Generation von Parteigenossen an, die in persönlicher Abhängigkeit zu ihm standen. Nach den Säuberungen und verschiedenen Aufgaben in der Geheimpolizei begann sein Aufstieg in der
Ukraine. Am Ende des Zweiten Weltkrieges „zeichnete“ er sich durch die Organisation der Deportation der der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigten Völker des
Nordkaukasus (Čečenen, Ingušen und Kalmücken) und der Krim (Tataren) „aus“. Diese Arbeit prädestinierte ihn geradezu für seine Aufgabe in Litauen. Nach seinem Wirken im Baltikum setzte er seine Karriere im Innenministerium in Moskau fort. Dort
ernannte ihn schließlich Chruščev, den er aus seiner Zeit in der Ukraine kannte, zum
ersten Chef des reorganisierten KGB. Ähnlich – nur steiler – verlief der Aufstieg Suslovs. Nur drei Jahre älter als Serov, war auch er an den Säuberungen beteiligt. Danach
verwaltete er das Gebiet Stavropol’ im Nordkaukasus, wo er sich durch dessen Verteidigung gegen die Deutschen und den Wiederaufbau einen Namen machte. Seine Karriere gipfelte in einer entscheidenden Position im Kreml: Unter Brežnev war er bis zu
seinem Tod Chefideologe der Partei. Auch der „brillante Stratege“ (Vardys) Kruglov
stieg nach seiner Zeit im Baltikum auf: Im Januar 1946 wurde der ehemalige Chef von
Smerš sowjetischer Innenminister.184 Auffällig bei der Betrachtung dieser zentralen
Persönlichkeiten ist ihre Herkunft: Keiner stammte aus Litauen, alle hatten eine slavische Herkunft. Dies war kein Zufall, sondern kennzeichnete das Mißtrauen Moskaus
180
181
182
183
184

44

Žemaitienė, S.27.
Vardys (1965), S.102.
Remeikis, S.37.
Gerutis (1984), S.369.
Lewytzkyj, S.217.
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gegenüber den nichtrussischen Völkern. So wurden weitere Russen zur Bekämpfung
der Partisanen nach Litauen geschickt. Als Chef des litauischen NKGB wurde Dmitrij
Efimov eingesetzt; eine NKGB-Spezialeinheit (osobyj banditskij otdel’), die Provokateur-Trupps organisierte, unterstand Major Sokolov.185 Jedoch war auch den Sowjets
klar, daß ein Land nicht ohne Einbeziehung von Teilen der ansässigen Bevölkerung
sowjetisiert werden kann. Sniečkus – Suslovs Vertrauter –, der auf Grund seiner
Freundschaft mit dem Vorsitzenden des Organisationsbüros litauische Interessen
durchsetzen konnte,186 wurde als 1. Sekretär der Kommunistischen Partei Litauens
bestätigt. Zum Innenminister der Litauischen SSR wurde Generalleutnant Juozas Bartašiūnas ernannt, der ebenso wie der künftige Militärkommissar J. Macijauskas ein in
der Sowjetunion ausgebildeter Angehöriger der Roten Armee war.187
Ein weiterer Beleg dafür, daß die „litauische Frage“ in Moskau Priorität hatte, ist,
daß sich NKVD- und NKGB-Stellen der UdSSR mit dieser Angelegenheit befaßten.
Von dort ergingen immer wieder Weisungen und Befehle, die die drängende Lösung
des Problems anmahnten. So ließen Berija, seine rechte Hand A.N. Appolonov und der
stellvertretende Volkskommissar des NKGB, B.Z. Kobulov, Anordnungen mitteilen,
diese überwachen und Rechenschaft darüber ablegen. Kobulov reiste sogar nach Vilnius, um seinen Vorgesetzten Merkulov und Berija von den Resultaten der „Banditenbekämpfung“ und den zu treffenden Maßnahmen zu unterrichten.188 Auch der Leiter
des GUBB, Leont’ev, war in dieser Frage persönlich engagiert, so daß er dem stellvertretenden Innenminister der UdSSR, V.S. Rjasnyj, die Erfolge seiner Hauptverwaltung
vermeldete.189
c. Die „Enkavedisierung“ der Litauischen Sowjetrepublik
Nachdem im Juli 1944 fünf (das 13., 86., 132., 217. und 331.) NKVD-Rückverteidigungsregimenter190 der Armee von General Černjachovskij nachgerückt waren,
übernahmen sie sogleich die Bekämpfung von Partisanen. Dies bedeutete, daß Verhaftungswellen stattfanden. Ihr fielen sowohl Teilnehmer des antinazistischen Widerstandes und der Rebellion von 1941 zum Opfer, als auch Soldaten der Plechavičius185
186
187
188
189
190

Remeikis, S.38.
Vardys (1991), S.227.
Remeikis, S.38.
Siehe GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440.
Siehe GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543.
Diese Regimenter waren im Jahre 1943 geschaffen worden, um die Kommunikation zwischen der
Front und dem Hinterland zu verbessern sowie Gegner der Sowjetmacht, die in 30 sogenannte
„Feind“-Kategorien eingeteilt wurden, zu bekämpfen. (Starkauskas, S.47).

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Truppe und solche, die den Dienst in der Roten Armee verweigerten.191 Im August
folgten den Rückverteidigungskräften das 25., 137., 261. und 298. Schützenregiment
der 4. NKVD-Division unter General Pavel Vetrov. Zusammen mit zunächst vier
Grenzkompanien (die 23., 94., 95. und 97. Kompanie) bildeten diese Truppen des Innenministeriums schließlich den Kern der Streitkräfte, die gegen die Partisanen eingesetzt wurden. Während die Rückverteidiger im Oktober 1945 das Land verließen,
blieben die Schützen und der Grenzschutz bis zum Ende der Partisanenkämpfe im Oktober 1953.192
Diese Truppen wendeten eine neue Taktik an, von der sich die Sowjets eine größere
Effizienz versprachen. Nach der sogenannten „Tataren-Kosaken-Strategie“ wurden
vorsätzlich Plünderungen und Zerstörungen begangen. Außer den Grenzregimentern
lebten die Soldaten in keinen festen Garnisonen, sondern zogen von einem Gebiet in
das nächste. Dabei terrorisierten sie die Bevölkerung durch die Tötung von Widerstandskämpfern, aber auch von Personen, die nur verdächtigt wurden, in Opposition
zur Sowjetmacht zu stehen.193 Verschärft wurden die Repressionsmaßnahmen noch
durch den erwähnten Besuch Kruglovs in Litauen. Jetzt wurden auf der Suche nach
Partisanen die Wälder, in die sich nun immer mehr Gegner der neuen Machthaber zurückzogen, durchkämmt. Fiel ein Kämpfer dem NKVD in die Hände, so mußte er mit
Folterungen und harter Bestrafung rechnen.194 Schließlich begannen im Dezember
1944 Strafexpeditionen, deren Ziel offene Gewalt gegen Sachen und Personen war:
Höfe wurden abgefackelt, Gebäude zerstört, Menschen getötet, und dabei teilweise sogar lebendig angezündet.195 Ab dieser Zeit wurden auch verstärkt istrebiteli eingesetzt.
Währenddessen gingen die Kämpfe an der Front unvermindert weiter. Die Angst,
dorthin geschickt zu werden, war für die NKVD-Kämpfer der Antrieb zu solch einer
Brutalität. Bei den Truppen des Innenministeriums wurden sie – im Vergleich zu ihren
Kameraden auf den Schlachtfeldern – gut versorgt. Hier erhielten sie Belohnungen und
Vergünstigungen für die Liquidierung von „Volksfeinden“, angesichts deren Angriffe
sie um ihr Leben zu fürchten hatten. Dazu kam, daß die meisten dieser Soldaten ohne
familiäre Bande zu den Einheimischen sowie ideologisch gefestigt waren und ihre
Ausbildung auf das Töten ausgerichtet war.196 Ein weiterer Grund lag sicher in den
191
192
193
194
195

Žemaitienė, S.27.
Starkauskas, S.48 f.
Ebd., S.50.
Vardys (1997), S.83.
Žemaitienė (S.27) spricht von über 400 Toten bei 74 Operationen zwischen dem 20. und 25. Dezember 1944 in den Gebieten von Alytus, Panevėžys und Raseiniai.
196 Starkauskas, S.52.

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Fronterfahrungen, deren Aufarbeitung oft durch blanke Gewalt geschah. Mit dem
Kriegsende wurde die Vorgehensweise nach der „Tataren-Kosaken-Strategie“ auch
von seiten der Machthaber nicht weiter toleriert: Im Jahre 1945 wurden 328 NKVDOffiziere wegen willkürlicher Exekutionen, Mord, Vergewaltigungen und Plünderungen durch die sowjetischen Organe abgeurteilt.197
Noch war der Krieg aber nicht zu Ende. Nur langsam nahm die Rote Armee Ostpreußen ein. Jedoch erreichte sie durch die Winteroffensive vom Januar 1945, daß der
größte Teil der deutschen Ostgebiete eingenommen wurde. Bis auf Königsberg, das
erst am 9. April kapitulierte, waren bis Ende Januar alle Städte zwischen Oder und
Memel von den Sowjets besetzt worden. Deshalb folgten im Februar die in Litauen
stationierten Rückverteidigungsregimenter der Armee nach, da von den flüchtenden
Menschen kein Widerstand zu erwarten war. Doch im Juni 1945 wurden sie auf Befehl
des Generalobersts Appolonov in die 15. Sowjetrepublik zurückbeordert.198 Dort hatte
die Strategie des Terrors keine Früchte getragen: Die sowjetischen NKVD-Organe hatten sich auf einen langwierigen Partisanenkampf mit der einheimischen Bevölkerung
einzustellen.
d. Streng geheim – die Akten des GUBB
Die Akten des GUBB waren streng geheim (soveršenno sekretno). Auch heute gelten
die Fonds, in denen diese Dokumente archiviert sind, als geschlossen. Dennoch ist es
gelungen, Einblick in Unterlagen zu nehmen, die die Bekämpfung der Partisanen in
der Litauischen Sowjetrepublik unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg behandeln.
Aus den Akten lassen sich unterschiedliche Schlüsse ziehen, doch machen sie deutlich,
daß der Widerstand in dieser baltischen Republik ein ernsthaftes Problem für die sowjetischen Organe darstellte, das es schnellstmöglich zu beseitigen galt – „koste es, was
es wolle“ (Starkauskas).
In der Akte 440 des Fonds 9478 s, Verzeichnis 1 s, sind die Ereignisse von Juni bis
September 1945 gesammelt, die den Wendepunkt der Partisanenbekämpfung markierten. Fanden vor diesem Zeitraum die Aktionen der NKVD-Streitmacht noch spontan
statt, so wurden die Kräfte jetzt erstmals gebündelt und die Arbeit der Čekisten untereinander koordiniert. Dieser Akt gibt weiter detaillierten Aufschluß darüber, wie wirksam die Weisungen umgesetzt wurden. Dabei ist eine sich steigernde Erfolgsquote

197 Ebd.
198 Ebd., S.48.
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feststellbar.199 Im Abstand von fünf Tagen wurden die Berichte über die Erfüllung der
Weisungen abgefaßt. Darin wurde ausführlich Meldung gemacht über Schläge gegen
– Agenten der deutschen Aufklärungs- und Gegenaufklärungsorgane
– Teilnehmer litauischer nationalistischer Organisationen
– Teilnehmer polnischer nationalistischer Organisationen
– Teilnehmer an Banditengruppen und deren Helfer
– Verräter und aktive Helfer der deutsch-faschistischen Besatzer
– Deserteure und Verweigerer des Dienstes in der Roten Armee.200
Liest man aus den dazu angegebenen Zahlen eine Tendenz heraus, so kommt man zu
dem Schluß, daß seit der „Befreiung“ bis zum Juni 1945 die Festsetzung und Liquidierung von deutschen Agenten und deren Helfern – gemeint waren wohl Kollaborateure
der nazistischen Besatzungsmacht – überwog, während danach die Ausschaltung litauischer Oppositioneller und von Deserteuren erfolgreicher betrieben wurde. Diese Verlagerung ist aber nicht nur proportional zu sehen, sondern auch in absoluten Zahlen.
Vor allem die Anzahl festgenommener Wehrdienstverweigerer wuchs enorm. Gründe
für diese Entwicklung lagen zum einen darin, daß die Deutschen inzwischen aus dem
Baltikum abgezogen waren. Zum anderen war nach dem Abzug der Nationalsozialisten der Hauptfeind der Sowjets – die Faschisten – verschwunden; man konzentrierte
sich jetzt auf den inneren Gegner – die litauischen Nationalisten. Auch gibt es eine ideologische Begründung für diese Wendung: Hatte man früher Personen, die Widerstand leisteten, dem Unterstützerkreis der Deutschen zugerechnet, so unterstellte man
ihnen nun nationallitauische Gründe für ihre oppositionelle Haltung gegenüber dem
sowjetischen Regime – die Statistik erlebte eine Umschichtung der Zahlen. Insgesamt
aber nahmen die Festnahmen und Liquidierungen von Woche zu Woche zu.
Gegenüber den Berichten der Akte 440 beinhaltet das Dokument 543 desselben
Fonds’ die statistische Verwertung der bis zum Juni 1945 geleisteten Arbeit der
NKVD-Stellen. Es bestätigt die Tendenz einer Zunahme von Aktionen, denen eine
immer größer werdende Zahl an Deserteuren und Verweigerern zum Opfer fiel.201 Außerdem setzte dieser Akt die Resultate der Operationen in den westlichen Sowjetrepubliken – Ukraine, Weißrußland und Baltikum – zueinander in Relation. Das
erstaunliche Ergebnis dabei ist der überproportionale Anteil litauischer Festgenommener an der Gesamtzahl der dort inhaftierten Oppositionellen. Während in Weißrußland
199 Vgl. GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.13 ff., S.122 ff. S.154 ff., S.179 ff. etc.
200 Ebd.

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die Gefangenenzahlen im gleichen Verhältnis zu denen der anderen Republiken standen wie die Bevölkerung, so ist dieser Anteil in der Ukraine, Estland und Lettland geringer. Dagegen war in Litauen die Summe der Inhaftierten proportional zur
Einwohnerzahl dreimal größer.202 Die Zahlen lassen den Schluß zu, daß dort der Widerstand gegen die neuen Machthaber gemessen an der Bevölkerung am größten war.
Belegt wird dies durch eine Notiz in dieser Akte, nachdem „die größte Anzahl banditischer Erscheinungsformen (...) in der Litauischen SSR“203 zu finden war.
e. Anweisung Berijas an das GUBB zur Koordinierung und Strukturisierung
der „Banditenbekämpfung“
Die Berichte über die Tätigkeit der NKVD-Truppen und ihren Erfolg, die den Großteil
der Akte 440 stellen,204 wurden zunächst direkt an Berija gesendet, später auch an die
stellvertretenden Volkskommissare des NKVD, Appolonov, und des NKGB, Kobulov.
Ab dem 25. Juni erhielt die Meldungen neben Berija nur noch Leont’ev, der Chef des
GUBB. Seit diesem Zeitpunkt lag die Hauptverantwortung für die Erfüllung der Moskauer Weisungen bei dieser Hauptverwaltung. Was aber waren die Anordnungen, deren Ausführung so penibel festgehalten wurde?
Im Juni 1945 erging eine Weisung des NKVD-Chefs, Lavrentij P. Berija, aus Moskau, die eine Verstärkung der Sowjetisierungsbemühungen forderte. In Anbetracht dieser Mahnung stellte der Leiter des 1. Reviers der 2. Abteilung des GUBB des NKVD
der UdSSR, Major der Staatssicherheit Amelin, eine Liste der bisher ergriffenen Maßnahmen zusammen. Dabei beklagte er die schlechte Ausrüstung der 10.747 istrebiteli,
denen er aber ein positives Verhalten im Kampf mit den „Banditen“ bescheinigte und
mit deren Familien es – trotz der über 200 Todesopfer unter den mit den Sowjets
kämpfenden Litauern – ein sorgenfreies Verhältnis gab.205 Dagegen bereitete die poli201 GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543, S.15 f.
202 Laut GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543, S.15 wurden in der ersten Hälfte des Jahres 1945 in Litauen
406 Banden liquidiert, 17.128 "Banditen", 2.438 Deserteure, 24.457 Verweigerer und 2.062 deutsche Agenten und deren Helfer festgenommen. Das entspricht einer Gesamtzahl von 46.085 erfolgreichen Schlägen gegen den litauischen Untergrund. Die Summe derselben Resultate für die
Ukraine sind 209.806 bei einer über zehnmal höheren Einwohnerzahl. Für die weiteren Republiken spiegelt die NKVD-Bilanz folgende Zahlen wider: Weißrußland 43.680; Lettland 5.924; Estland 3.662.
203 GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543, S.19.
204 Von den 298 Seiten, die dieser Akt umfaßt, bestehen nahezu 90 Prozent aus derartigen Berichten.
Sie sind vor allem von statistischem Wert. Aber sie zeigen auch, unter welchem Druck die mit der
Bekämpfung Oppositioneller befaßten Stellen standen. Wöchentliche Meldungen sollten belegen,
wie erfolgreich man bei der Arbeit war. Fälschungen der Zahlen sind zwar nicht auszuschließen,
aber unwahrscheinlich, da die Anstrengungen ab Juni 1945 zunahmen, was die nachstehende Behandlung der weiteren Akte mit Anweisungen Berijas belegt.
205 GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.7.
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tische Arbeit der Kommunistischen Partei, in der nur wenige Litauer seien, Sorgen:
„(...) unter den Kämpfern der istrebiteli-Bataillone, die in ihrem Kampf Ergebenheit
gegenüber der Sowjetmacht beweisen, gelingt die Arbeit zur Gewinnung dieser für die
Reihen der Kommunistischen Partei nicht.“206 Ebenso verhalte es sich in den Städten.
Dort gelinge es überhaupt nicht, die Intelligenz und die Jugend für die politische Arbeit zu gewinnen. Wegen ihrer bürgerlichen Abstammung fehle es an jeglicher Loyalität gegenüber der Sowjetmacht. Sie verweigerten jede Mitarbeit und dienten dem
nationalistischen Untergrund.207
Weiter kritisiert Amelin in seiner Bestandsaufnahme den Einfluß der Kirche. So hätten im Mai drei nationale und religiöse Feiertage (Tag der polnischen Verfassung, Todestag Piłsudkis und Pfingsten) stattgefunden. „An diesen [Feiertagen, T. T.] ging ein
bedeutender Teil der Arbeiter und Bediensteten sowjetischer Einrichtungen – Polen
und Litauer – eigenmächtig nicht zur Arbeit.“208 In einigen Institutionen hätten zwischen 70 und 80 Prozent der Belegschaft gefehlt. Ferner weist Amelin auf die ideologische Ausrichtung der litauischen Intelligenz hin, die bis zum Ende des Zweiten
Weltkrieges auf das faschistische Deutschland fixiert gewesen sei. Nun habe man sich
in Richtung Amerika und England orientiert. Nicht zu Unrecht stellte der Čekist fest,
daß die Litauer auf eine kriegerische Auseinandersetzung der Westmächte mit dem
kommunistischen Staat setzten, an deren Ende für sie die „Herauslösung der Litauischen SSR aus der Sowjetunion“209 stünde. Schließlich ging Amelin noch auf das bereits geschilderte Problem mit den in Litauen befindlichen Polen ein.
Diese Analyse der Mißstände wurde zum Anlaß genommen, um die Mängel zu beseitigen, die Partisanenbekämpfung neu zu organisieren und sie somit effektiver zu
machen. Zugleich bedeutete dies das Ende der marodierenden Truppen, die nach der
„Tataren-Kosaken-Strategie“ vorgegangen waren. „In Ausführung der Weisung des
Gen. Berija zur Liquidierung des antisowjetischen Untergrundes und seiner bewaffneten Banden“210 wurde ein 11-Punkte-Plan211 aufgestellt. Er beinhaltete die Einrichtung
operativer Sektoren, die Besetzung ihrer Leitstellen, durchzuführende Operationen und
den Einsatz von Truppen, die teilweise aus Ostpreußen nach Litauen verlegt werden
sollten. Darüber hinaus wurde eine neue Taktik ausgegeben, die die Partisanenbewe206
207
208
209
210
211

50

Ebd.
Ebd.
Ebd., S.8.
Ebd.
Ebd., S.9.
Ebd., S.9 ff.
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gung infiltrieren sollte; Quoten zur Festnahme von Feinden wurden festgelegt; eine
mögliche Amnestie ins Auge gefaßt; die Umsiedlung der Polen veranlaßt; ein neues
Paßwesen eingeführt; und schließlich wurde noch eine bessere Ausstattung der Truppen gefordert.
Mit der Einteilung des Landes in sieben operative Sektoren wurde die Stationierung
der NKVD-Truppen in festen Garnisonen eingeleitet. In den größten Städten Litauens
wurden Zentren eingerichtet:
„– Klaipėda mit dem Gebiet Klaipėda, den Kreisen Kretinga und Tauragė
– Marijampolė mit den Kreisen Šakiai, Vilkaviškis, Marijampolė und Lazdijai
– Šiauliai mit den Kreisen Šiauliai, Telšiai, Mažeikiai
– Panevėžys mit den Kreisen Panevėžys, Biržai und Rokiškis
– Kaunas mit der Stadt Kaunas, den Kreisen Kaunas, Raseiniai und Kėdainiai
– Utena mit den Kreisen Utena Zarasai, Švenčionėliai und Ukmergė


Vilnius mit der Stadt Vilnius, den Kreisen Vilnius, Trakai und Alytus.

Die entsprechenden örtlichen Organe des NKVD und NKGB sind den operativen Sektoren zu unterstellen.“212
Mit dieser Anordnung wurde die Priorität, die die „Banditenbekämpfung“ hatte,
nochmals unterstrichen. So rekrutierte man das für die Sektoren zuständige Personal
aus den unterschiedlichsten Abteilungen sowohl der sowjetischen Geheimpolizei, als
auch ihres litauischen Pendants.
„Als Leiter der operativen Sektoren sind zu ernennen:
– des operativen Sektors Klaipėda der Leiter der 95sten Abteilung der Grenztruppen des NKVD Oberst Gen.213 Skorordumov
– des operativen Sektors Marijampolė der Leiter der Grenztruppen des NKVD
des Litauischen Kreises Generalmajor Gen. Byčkovskij
– des operativen Sektors Šiauliai der Leiter der Abteilung „Smerš„ des NKO
Armeeoberst Gen. Kurov
– des operativen Sektors Panevėžys der Leiter der Abteilung GUBB des NKVD
der UdSSR Oberstleutnant der Staatssicherheit Gen. Karlin
– des operativen Sektors Kaunas der Vertreter des Volkskommissariats für
Staatssicherheit der Litauischen SSR Oberst der Staatssicherheit Gen. Veselov
212 Ebd., S.9.
213 Im folgenden wird die Bezeichnung „Genosse“ mit „Gen.“ abgekürzt.
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– des operativen Sektors Utena der Vertreter des Volkskommissariats des Inneren der Litauischen SSR – Kommissar der Staatssicherheit Gen. Kapralov
– des operativen Sektors Vilnius der Leiter der 2ten Abteilung des NKGB der
Litauischen SSR Oberstleutnant der Staatssicherheit Gen. Rudyko.“214
Wieder wird hier die interinstitutionelle Zusammenarbeit deutlich, die das gemeinsame
Ziel der Ausschaltung jeglicher Opposition im Sinn hatte und darin einig das Kompetenzgerangel zwischen Unions- und litauischen Stellen überwand. Verantwortlich waren die ernannten Leiter – und das zeigt sowohl einerseits den ausgeprägten Moskauer
Zentralismus, als auch andererseits seine Bemühungen um Einbindung nationaler
Kräfte – „(...) der Vorsitzende des Büros des ZK der KP(b) für Litauen Gen. Suslov
und der Sekretär des ZK der KP(b) Litauens Gen. Sniečkus, die sich mit den Schlußfolgerungen und den skizzierten Maßnahmen einverstanden erklärt haben (...)“215.
Im folgenden wurde konkret auf diese zu treffenden Maßnahmen eingegangen: Die
Monate Juni und Juli waren für die Durchführung einer groß angelegten Operation bestimmt. Mit dieser Aktion sollten die „Liquidierung tätiger Banden“216 sowie die
„Entnahme von Teilnehmern illegaler, antisowjetischer Organisationen, und weiter
von Deserteuren und Personen, die die Einberufung zur Roten Armee verweigern“217
erreicht werden. (Banditen wurden nicht ausdrücklich als Ziel der Operation genannt.)
Die Durchführung dieses Planes war „den operativen Sektoren aufzuerlegen“218 – ein
Anzeichen dafür, daß die Bekämpfung von „Banditen“, die der obigen Beschreibung
vom Angriffsziel zufolge eher Oppositionelle im politischen Sinn waren als gemeine
Verbrecher, eine organisatorische Struktur erhielt.
Unterstützung bekamen die operativen Sektoren von acht Truppenteilen des NKVD
der Litauischen SSR. Dabei wurden die erfahrensten – d. h. die am längsten, seit August 1944 im Land befindlichen – Verbände eingesetzt: das 25., 137., 261. und 298.
Schützenregiment. Fünf operative Sektoren erhielten direkt einen dieser Truppenteile:
Panevėžys (25.), Utena (137.), Šiauliai (261.) und Kaunas (298.). Hinzu kam für den
Sektor Vilnius das 266. Regiment.219 Zwar wurden in den Sektoren von Klaipėda und
214
215
216
217
218
219

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Ebd., S.10.
Ebd., S.12.
Ebd., S.10.
Ebd.
Ebd.
Dieses Regiment erwähnt Starkauskas trotz detaillierter Aufzählung aller an der Partisanenbekämpfung beteiligten NKVD-Truppen nicht. Für den März 1946 hält er fest, daß der in Vilnius stationierte Verband das 261. Regiment ist. Der Grund für diese Abweichung kann einerseits darin
liegen, daß das 266. Regiment nie in Vilnius stationiert worden ist, wofür es aber keine Belege
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Marijampolė keine Einheiten stationiert. Aber die verbliebenen drei Grenzregimenter
(12., 130. und 200.) sollten zunächst „zum Schutze des Hinterlandes der Leningrader
Front“220 dienen, womit wohl das Gebiet an der Grenze zu Ostpreußen – also die benachbarten Sektoren von Klaipėda und Marijampolė – gemeint war. Schließlich sollten
die Truppen „in Übereinstimmung mit diesem [ausgearbeiteten Plan, T.T.] (...) nach
Beendigung der Säuberung des Territoriums eines oper. Sektors von banditischen Elementen in das Territorium des nächsten Sektors verlegt“221 werden. Es handelte sich
also um mobile Einheiten. Hier sind Relikte der „Tataren-Kosaken-Strategie“ zu erkennen, die nach dem Ende der Phase des taktisch-operativen Umbruchs im Sommer
1945 von gezielten Aktionen abgelöst wurde. Geht man davon aus, daß ein Regiment
900 Mann umfaßte, muß man 7.200 Soldaten, die diesen mit der Bekämpfung von Partisanen befaßten Regimentern angehörten, veranschlagen.222
Ergänzt wurden diese Truppen durch Einheiten aus Ostpreußen. Von dort „sind
zeitweilig, für die Dauer von einem Monat, von den in Ostpreußen vorhandenen neun
Regimentern drei Regimenter der Truppen des NKVD, in Anbetracht der Abwesenheit
aktiver antisowjetischer Erscheinungsformen in Ostpreußen, die die Verwendung von
Truppen verlangten, nach Litauen zu verlegen“223. Rechnet man die temporär anwesenden Soldaten zu den bereits stationierten hinzu, so kommt man für den Sommer
1945 auf rund 10.000 NKVD-Kämpfer in Litauen, deren Operationen das GUBB koordinierte. Da man für diese Zeit von etwa 30.000 Čekisten224 ausgeht, läßt sich konstatieren, daß die für die „Banditenbekämpfung“ zuständige Hauptverwaltung gut ein
Drittel von ihnen kommandierte.
Nach Abhandlung dieser personellen und organisatorischen Fragen wandte sich der
Aktionsplan konspirativen Maßnahmen zu. Diese sahen vor, aus der Spezialeinheit des
NKGB der UdSSR unter Major Sokolov „drei operative Abteilungen, jede zu 70–80
Mann, zu organisieren, sich vor den Banditen als antisowjetische Formationen ausge-

220
221
222
223
224

gibt. Andererseits bezog es tatsächlich nach dem Juni 1945 in Vilnius Station, wurde danach aber
ver- bzw. mit einer anderen Einheit zusammengelegt.
GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.10.
Ebd.
Starkauskas (S.50) zufolge bestand ein Regiment aus drei Bataillonen zu je 300 Mann; ein Bataillon aus drei Kompanien zu je 60-70 Mann; eine Kompanie aus drei Zügen zu 15-25 Mann.
GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.11.
Starkauskas (S.47) spricht von 20 Regimentern und Zügen zu je bis zu 1.500 Mann. Bei den nicht
dem GUBB unterstellten Truppen handelt es sich wohl um Einheiten, die direkt von den Hauptverwaltungen der Grenztruppen - geleitet von A. N. Apollonov - und der Truppen des Innenministeriums - N. P. Stachanov unterstellt - befehligt wurden.

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bend“225. Ziel dieser Einheiten war es, in die Untergrundbewegung einzubrechen, um
sie von innen heraus zu zersetzen.
Neben die Infiltration zur Liquidierung von Partisaneneinheiten trat die Weisung,
das oppositionelle Individuum unschädlich zu machen. Zu diesem Zwecke wurden
Quoten zur Festnahme von Gegnern der Sowjetmacht bestimmt. Dies ist jedoch ein
eindeutiger Beleg dafür, daß damit nicht die gezielte Verfolgung des litauischen Widerstandes erreicht werden sollte, sondern daß es zu willkürlichen Verhaftungen kommen mußte. Denn die Festlegung auf eine exakte Erfolgsrate bei Aktionen von
Exekutivorganen gegen Gesetzesbrecher lassen auf die Eigenmächtigkeit des Systems
schließen. Diese Quotierung ist ein weiterer Ausdruck des stalinistischen Terrors. Im
einzelnen sah die Anordnung die Festnahme vor von „aktive(n) antisowjetische(n) Elemente(n), die an der Agentenentwicklung und Untersuchungsverfahren des NKVDNKGB der Litauischen SSR beteiligt waren, mit einer Gesamtzahl von 2.500 Mann
(...); (...) aus den Grenzen Litauens Mitglieder der Familien von Anführern und aktiven
Teilnehmern tätiger Banden auszuweisen: leitende und aktive Teilnehmer von Untergrundorganisationen, die sich in der Illegalität befinden; deutsche Spione, Vaterlandsverräter und aktive Verräter, die sich vor den Machtorganen und den Repressionen
durch die Organe des NKVD–NKGB verbergen, mit einer Zahl bis 20.000 Mann“226.
Außerdem wurde „die Fahndung und Entnahme von deutschen Spionen, von Leitern
der Untergrundorganisationen, die sich in der Illegalität befinden, und von aktiven
Handlangern, von deutschen Besatzern, die sich vor den Machtorganen verbergen“,227
angemahnt und eine Erfolgsgarantie verlangt.
Wie bereits kurz nach Eroberung des Baltikums wurde ein erneuter Versuch unternommen, die Fahnenflüchtigen zur Rückkehr in die Rote Armee zu bewegen. Diesmal
sollten für den Erfolg dieser Aktion ethnische Litauer sorgen, von denen man sich erwartete, daß sie ihre Landsleute davon überzeugten, Dienst für die Sowjetunion zu tun.
Daß man mit einer schnellen Durchführung der „Legalisierung von Deserteuren und
Personen, die sich der Einberufung zur Roten Armee verweigern,“228 rechnete, belegt
die Tatsache, daß die damit beauftragten Personen nur kurze Zeit für diese Aufgabe
abgestellt wurden: Dem „ehemalige(n) Kriegsminister Litauens Generalleutnant der
Roten Armee Vitkuskas und Generalmajor Napas, derzeit Dozent an der Hohen

225
226
227
228

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GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.11.
Ebd.
Ebd.
Ebd.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

Kriegsakademie der Roten Armee in Moskau“229 wurde ein Monat eingeräumt, ihre
Mission zu erfüllen.
Im folgenden wurde die – bereits oben abgehandelte – Problematik der in Litauen
verbliebenen Polen thematisiert. Eine ebenso administrativ-organisatorische Frage
stand im Mittelpunkt der nächsten Anweisung. Da in den zurückliegenden fünf Jahren
die Herrschaft über Litauen dreimal gewechselt hatte – von der bürgerlich-litauischen
Regierung zur Sowjetmacht, von dieser zu den deutschen Okkupanten, die nach ihrer
Niederlage die Verwaltung wieder den Sowjets überlassen mußten –, war eine unüberblickbare Zahl an Dokumenten in Umlauf gekommen. Deshalb wurde angeordnet,
neue Papiere auszustellen, die alle alten ablösen sollten. Letztere hatten es nämlich Illegalen erleichtert unterzutauchen. Nun aber sei „eine Paßausgabe befristeter Ausweise
in einheitlicher Form in russischer und litauischer Sprache an die Bevölkerung durchzuführen.“230
Schließlich galt im letzten Punkt des Aktionsplanes das Augenmerk der Versorgung
der Truppen mit ausreichenden Mengen an Treibstoff zur Effizienzsteigerung ihrer
Mobilität. Dazu wurde „die Bereitstellung des NKVD der Litauischen SSR eines besonderen Autobataillons im Umfange von 450–500 Autos für die Dauer von zwei Monaten mit der Sicherstellung von Treibstoff aus dem Voranschlag für fünf Tankfüllungen im Monat“231 erbeten. Daß sich die Bitte auf einen begrenzten Zeitraum
bezog, ist erneut ein Indiz dafür, daß sich die sowjetischen Organe auf ein absehbares
Ende ihrer „Banditenbekämpfung“ einstellten – in diesem Fall auf zwei Monate. Hier
irrte sich das NKVD, wie ein weiteres Dokument232 des GUBB belegt.
f. Die Konzentration der Anstrengungen – Anordnungen Kobulovs
zur Bündelung der Kräfte
Zwar hatten die Weisungen Berijas eine Optimierung der Verfolgung von Oppositionellen erbracht, doch so schnell, wie sich das NKVD die Liquidierung des Untergrundes vorgestellt hatte, war die Niederschlagung des Widerstandes nicht möglich
geworden. Bewährt hatten sich die Maßnahmen, die Verhaftungen zur Folge hatten. In
seinem „Befehl an die Truppen des NKVD, das den Kampf mit dem Banditentum auf
dem Gebiet der Litauischen SSR führt“233 vom 1. September 1945 stellte der stellvertretende NKGB-Chef Kobulov die Ergebnisse der im Zeitraum von Juni bis August
229
230
231
232

Ebd.
Ebd., S.12.
Ebd.
GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.252 ff.

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durchgeführten Operationen zwar als „bedeutend“ heraus. So sei „eine bedeutende
Anzahl untergründig feindlicher Organisationen und banditischer Formationen zerschlagen worden“234. Dennoch gebe es „Überreste der zerschlagenen Banden, bestehend aus Kulaken und ehemaligen deutschen Handlangern, die Perspektivlosigkeit des
von ihnen geführten Kampfes, die Unvermeidlichkeit ihres Unterganges fühlend“235,
die zu „ungeheuerlichen“ Verbrechen fähig seien. Sie schreckten nicht davor zurück,
„auf bestialische Weise Kinder, Frauen, Alte und ländliche sowjetische Aktivisten“236
zu töten. Sowohl das anfängliche Lob für die Aktionen der Čekisten, als auch die Diffamierung der Untergrundkämpfer sollten wohl zur Motivation der Partisanenbekämpfung beitragen. Ungeachtet dessen kam es auf beiden Seiten zu Greueltaten, bei denen
der eine dem anderen in nichts nachstand. Doch Vergehen an Unbeteiligten waren die
Ausnahme.237 Auch waren die Erfolge des NKVD seit Juni unbestritten; die Weisung
Berijas hatte Wirkung gezeigt. Doch daß Mängel in der Organisation operativer Maßnahmen zur Liquidierung des antisowjetischen Widerstandes auftraten, verdeutlicht die
Fehleranalyse Kobulovs. Im Unterschied zu dem Befehl vom Juni wurde aber die
„Banditenbekämpfung“ nicht neu organisiert, sondern lediglich eine Straffung der Arbeit der sowjetischen Organe zur Steigerung der Effizienz angeordnet.
Der stellvertretende Vorsitzende des NKGB bemängelte vor allem die Einsatzbereitschaft der Kader. Bei der Aufklärung seien die Kommandeure passiv, zeigten keine
Eigeninitiative, welche zur Beschleunigung der Liquidierung beitragen könnte. Außerdem würden sie „die operative und politische Umgebung ihrer Dienstbereiche
schlecht“238 kennen. Es würden zu wenige Soldaten „zur Fahndung und Festsetzung
von Banditen (RPG [razvedyvatel’no-poiskovaja gruppa = Aufklärungsspähgruppe, T.
T.], Hinterhalte, Horchposten) geschickt, und ihr Dienst in einer Reihe von Fällen ist
unbefriedigend organisiert“239. Verspätungen und Mängel bei der Organisation von
Verfolgung und Fahndung hemmten die Arbeit der Čekisten. Außerdem sei die Präsenz der Kommandeure bei den Stäben nicht ausreichend, „was zur Folge hat, daß eine
Reihe von durchgeführten čekistischen Operationen nicht den gebührenden Effekt er-

233
234
235
236
237

GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.252.
Ebd.
Ebd.
Ebd.
Auf die blutigen Auseinandersetzungen und Vergeltungsschläge wird in Kapitel II. 2. c. noch eingegangen werden.
238 GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.253.
239 Ebd.

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zielt“240. Auch werde die Feindbeobachtung vernachlässigt, weshalb „keine vorbeugenden Maßnahmen der banditischen Erscheinungsformen unternommen werden, und
Truppengliederungen oft ihre taktischen Fehler statt deren Behebung wiederholen, so
daß es sich negativ auf den Erfolg des Kampfes mit den Banditen auswirkt“241. Stattdessen würden Personen bei Kontrollen an weit entfernte Stäbe geschafft, um dort verhört zu werden. „(...) in der Regel (wird) die Mehrheit von ihnen nach der
Überprüfung durch Aufklärer entlassen (...). Das passiert, weil operative Gruppen
durch wenig erfahrene Leiter geführt werden, Aufklärungsoffiziere bei den Stäben
bleiben und zu wenig direkt an operativ-dienstlicher Tätigkeit teilnehmen.“242 Schließlich führte Kobulov die Mißerfolge darauf zurück, daß „Truppengliederungen (...) ihre
Kampftätigkeit in einer Reihe von Orten nicht in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Organen des NKVD–NKGB durch(führen)“243. All diese Mängel sind Ausdruck
geringer Motivation der verantwortlichen Befehlshaber vor Ort. Nachdem der Krieg
soeben zu Ende gegangen war, gestaltete es sich als schwierig, das Militärpersonal zu
einer massiven Fortführung der Bekämpfung von Oppositionellen anzuhalten. Fehlende Erfahrung der NKVD-Kader kann als unwahrscheinlich gelten, da sie über genügend Praxis im Kampf mit inneren wie äußeren Feinden verfügten: Der Krieg gegen
Hitlerdeutschland war gewonnen, die Deportationen der Völker im Nordkaukasus zu
einem „erfolgreichen“ Abschluß gebracht worden. Deshalb ordnete Kobulov – in Berufung auf Berija – weitere Maßnahmen an, die dazu führen sollten, daß „in den nächsten Wochen (...) auf dem Territorium der Republik die Reste der zu zerschlagenden
Banden vernichtet und die gebührende gesellschaftliche Ordnung errichtet werden.“244
Immer noch ging man davon aus, das „Banditenproblem“ in Wochenfrist lösen zu
können. Um dies auch zu erreichen, wurden diesmal nicht die Leiter der operativen
Sektoren mit der Einhaltung dieser Anordnung beauftragt, sondern der Bevollmächtigte des NKVD-NKGB der UdSSR für Litauen, Generalleutnant Tkačenko und der Leiter der NKVD-Truppen des Baltischen Kreises Generalmajor Golovko. Diese waren
Appolonov und Kobulov gegenüber rechenschaftspflichtig. Auch hier ein Anzeichen
für den unbeugsamen Willen der Sowjets, möglichst schnell und möglichst umfassend
in Litauen „aufzuräumen“.

240
241
242
243
244

Ebd.
Ebd., S.253 f.
Ebd., S.254.
Ebd.
Ebd., S.256.

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Direkt an die Kommandeure gewandt gab Kobulov Befehl, „die oben bezeichneten
Mängel bei der operativ-dienstlichen Tätigkeit unverzüglich zu beseitigen.“245 Zu diesem Zweck sollten sie mit den örtlichen NKVD-Stellen Hand in Hand arbeiten und zusammen mit ihnen „konkrete Pläne zur Liquidierung von Banden auf dem betreffenden
Territorium“246 ausarbeiten und „persönlich für ihre Verwirklichung“247 sorgen. Zusätzlich seien die Soldaten „sorgfältig“ auf die Operationen vorzubereiten. Von der
persönlichen Verantwortlichkeit erwartete man sich mehr Initiative, um „nicht (nur)
auf die banditischen Erscheinungsformen zu warten, sondern selbst nach Banditen zu
suchen, ihre Aufenthaltsorte zu beseitigen, sachkundig ihre Verfolgung und schonungslose Zerstörung zu organisieren.“248 Für die Umsetzung der geforderten Aktivität
wurde der Vorschlag gemacht, Hinterhalte und Horchposten auf „einsamen Höfen, von
wo die Familien der Banditen ausgesiedelt worden sind, bei den Häusern der Banditen,
in den Höfen der Neusiedlungen, der Sowchosen und an weiteren Punkten, die banditischen Überfällen ausgesetzt sein können oder die durch die Banditen für ihren Schutz
genutzt werden können“,249 einzurichten. Persönliche Konsequenzen wurden für den
Fall angedroht, daß ein Kommandeur „nicht alle diese ihm zugänglichen Maßnahmen
auf der Suche nach Banditen ausschöpft und vorzeitig die Verfolgung und Fahndung
eingestellt hat“250. Alle Einheiten wurden aufgerufen, sich an der „völlige(n) Vernichtung“251 der Banditen aktiv zu beteiligen und darauf zu achten, daß nicht unnötig Munition verbraucht werde, da diese so kurz nach dem Krieg wohl knapp zu werden
drohte. Außergewöhnlich für die Hochzeit des Stalinismus ist die letzte Anordnung
Kobulovs. Darin wurde ausdrücklich die Order ausgegeben, daß „Massenverhaftungen
„verdächtiger“ Bürger (...) einzustellen“252 seien. Sie sollten bereits am Ort der Aufgreifung kontrolliert und bei fehlendem Verdachtsmoment freigelassen werden. Diese
letzte Passage macht deutlich, daß trotz dieser von Willkür und Verdächtigungen geprägten Epoche dann auf Repressionen verzichtet wurde, wenn durch den Terror die
Kampfkraft der nachrichtendienstlichen Stellen beeinträchtigt wurde. Dies ist umso
bemerkenswerter, da genau zu dieser Zeit wieder Massendeportationen in die sibirischen Lager anliefen.
245
246
247
248
249
250
251
252

58

Ebd., S.254.
Ebd.
Ebd.
Ebd., S.255.
Ebd.
Ebd.
Ebd.
Ebd., S.256.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

III. Auswirkungen des NKVD-Kampfes auf die litauischen Partisanen
und seine Bedeutung für das Ende des bewaffneten Widerstandes
1. Folgen der verschärften Partisanenbekämpfung
Die Befehle vom Sommer 1945 können als Ausgangspunkt für die weitere Bekämpfung des litauischen Untergrundes gelten. Seit dieser Zeit wurden die Anstrengungen
des NKVD immer deutlicher, mit dem „Banditenunwesen“ in Litauen aufzuräumen.
Schon damals wurden ständige Garnisonen für die den operativen Sektoren unterstellten Regimenter eingerichtet.253 Starkauskas (S. 50) irrt, wenn er diesen Vollzug erst
für das Jahr 1946 ansetzt. Denn ohne permanente Truppenpräsenz wären die nun eingeleiteten Maßnahmen nicht durchzuführen gewesen.
a. Wiederaufnahme der Deportationen
In seiner Weisung forderte Berija im Juni 1945 von Moskau aus die Festnahme „antisowjetischer Elemente“ und ihrer Angehörigen.254 Weiter verlangte er die Verhaftung
von 23.000 Personen, um tätige Banden massiver zu bekämpfen. Legt man die Zahlen
der in der Folgezeit durchgeführten Deportationen zu Grunde, so muß man den
NKVD-Kräften in der Litauischen SSR eine erfolgreiche Arbeit bescheinigen. Denn
den Verschleppungen der Monate August und September des Jahres 1945 schloß sich
eine über Jahre immer wiederkehrende Deportationswelle an. Insgesamt geht man von
acht Massendeportationen in der Zeit zwischen den Jahren 1945 und 1950 aus. Neben
den Verschleppungen im August und September des ersten Jahres fanden diese im
Februar 1946, in der zweiten Hälfte des Jahres 1947, am 22. Mai 1948, zwischen dem
24. und 27. März und im Juni 1949 sowie schließlich im März 1950 statt.255 Ihnen fielen bis zu 350.000 Menschen zum Opfer.256 War es anfänglich noch das Ziel der Sowjets, gezielt gegen Partisanen vorzugehen, so stellten die späteren Unternehmungen
Strafaktionen dar. Der Widerstand gegen Wahlen oder die Integration Litauens in die
sowjetische Volkswirtschaft sollte so gebrochen werden.257 Bestraft wurde Widerstand
253
254
255
256

Ebd., S.10.
Ebd., S.11.
Gerutis (1984), S.372.
So Tauras, S.59. Remeikis (S.38) nennt im einzelnen folgende Zahlen: für 1945 etwa 60.000 Deportierte; 1946 um die 40.000; 1947 und 1948 jeweils 70.000; 1949 bis zu 50.000; und 1950 ungefähr 30.000. Hinzu kamen die bei den Aktionen Getöteten, die Gerutis (1984, S.373) mit etwa
20.000 Personen angibt.
257 Remeikis, S.38.

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

59

immer mit dem gleichen Strafmaß: Ohne Rücksicht auf das Geschlecht erhielt der oder
die Angeklagte 25 Jahre Verbannung.258 Diese Operationen erforderten aber vom
NKVD ein großes Maß an Schlagkraft. Zu diesem Zwecke wurden die čekistischen
Einheiten zur Zeit von Deportationen verdoppelt. Das machte bewaffneten Widerstand
von seiten der Partisanen aussichtslos. Deshalb versuchten sie bereits im Vorfeld, Listen mit potentiellen Opfern verschwinden zu lassen oder die Betroffenen direkt zu
warnen. Wenn jedoch jede Hilfe zu spät gekommen war, bemühte man sich zumindest,
das Eigentum der Verbannten zu schützen.259 Während sich die Sowjets von diesen
Aktionen die Eliminierung der Opposition versprachen und auch eine Schwächung erreichten, trieb jede Terrorwelle dem Untergrund immer neue Widerstandskämpfer in
die Arme.260 Doch langfristig ging das Kalkül der sowjetischen Machthaber auf.
b. Die Rückkehr aus dem Wald
Die Umsetzung der Pläne vom Sommer 1945 nahm einige Zeit in Anspruch. Wie
schon aus den Befehlen Berijas und Kruglovs hervorgeht, war das „Banditenproblem“
nicht innerhalb weniger Wochen zu lösen. Hielten sich noch zu Beginn des Jahres
1945 etwa 30.000 Partisanen im Wald versteckt, zeigten die Maßnahmen des NKVD
bereits im Sommer desselben Jahres Wirkung. Wenn Vardys (1965) für die Zeit von
1944 bis 1948 von der stärksten Phase (S. 85) der Untergrundbewegung spricht, dann
mag das im Vergleich zu den darauffolgenden Jahren durchaus stimmen. Aber er verkennt dabei, daß sich der Widerstand der unmittelbaren Nachkriegszeit ständig veränderte. Zu Recht erkennt er deshalb an, daß die Partisanen im Sommer 1945 fast vor
dem Ende ihres Kampfes standen (S. 104).
Schon im Jahre 1944 hatten die Sowjets dazu aufgerufen, ins legale Leben zurückzukehren. Diesen Appellen leisteten Zehntausende Folge, um nicht Gefahr zu laufen,
daß ihre Angehörigen deportiert werden. So fanden in den Jahren 1944 und 1945 etwa
43.800 Personen den Weg zurück in das öffentliche Leben.261 Von ihnen wurde ein
Teil – trotz Zusagen von seiten der sowjetischen Behörden – beim Verlassen ihrer
Verstecke festgenommen. Damit wurde das Ziel verfolgt, sie für die Arbeit des NKVD

258
259
260
261

60

Lohr, S.110.
Tauras, S.59 f.
Remeikis, S.38.
Diese Zahl erscheint gegenüber den 30.000 Untergetauchten zunächst als zu hoch. Doch muß man
berücksichtigen, daß es Personen gab, die mehrmals abtauchten. Zu diesen gehörten sicherlich
auch Verweigerer des Dienstes in der Roten Armee, deren Zahl Žemaitienė (S.29) mit einem Anteil von 85 Prozent an den Rüchkehrern angibt.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

zu gewinnen262. Bei Bereitschaft dazu wurden sie als Provokateure zurück in den Wald
geschickt, um dort als nachrichtendienstliche Informanten zu wirken, wie es Berija gefordert hatte. Diese für die Sowjets positive Entwicklung führte dazu, daß es ab 1946
kaum noch Illegale im Untergrund gab.263
Um in der Folgezeit die Widerstandsbewegung vollends zu beseitigen, wurden im
Frühling 1946 die Anstrengungen des NKVD intensiviert. Am 15. Februar hatte Bartašiūnas eine Anordnung mit dem Ziel der Auffindung von Partisanen gegeben.264 Darin

bot

er

den

„Banditen

und

Mitgliedern

bürgerlich-nationalistischer

Organisationen“265 eine Amnestie an, wogegen eine Weigerung die oben erwähnten
Folgen gehabt hätte. Hintergrund dieser Offensive, mit der eine ständige Alarmbereitschaft des NKVD einherging,266 waren auch die beginnenden Nachschubprobleme der
Partisanen bei der Beschaffung von Waffen, die zum Teil noch aus deutschen Beständen stammten, und der Munition dafür.267 Gleichzeitig bedeutete dieser Vorstoß den
Auftakt zu Repressalien, die mehrere Jahre andauern sollten. Nun wurden die Opfer
des NKVD an öffentlichen Orten wie Marktplätzen ausgestellt. Damit wollte man die
unidentifizierten Leichen anhand der Regung von Vorübergehenden zuordnen, um
auch deren Angehörige zu durchleuchten.268 Dennoch war die Opposition zu dieser
Zeit – vor allem im Norden des Landes – gut organisiert, woran eine Konferenz vom
25. August 1945 großen Anteil hatte.269
c. Die Einteilung der Widerstandsgruppen nach Regionen
Auf dieser Tagung wurde der Grundstein dafür gelegt, was später kennzeichnend für
den litauischen Partisanenkampf der Nachkriegszeit werden sollte. Man beschloß, alle
bestehenden Sonderkommandos der Suvalkija (Südlitauen) zu einem einzigen Distrikt
zu vereinen: Die Tauras-Region (litauisch: Tauro apygarda) war aus der Taufe gehoben. Ziel dieser Verschmelzung war es, die Wirkungsbereiche der einzelnen Gruppen
gegeneinander abzugrenzen. Nunmehr bestanden die operierenden Einheiten aus sechs
bis zehn Mann, die einem gewählten Distrikt-Kommandeur unterstanden. Zur besseren
Koordinierung wurde auch ein Hauptquartier eingerichtet, von dem aus die landeswei262
263
264
265
266
267
268
269

Žemaitienė, S.29.
Ebd.
Gerutis (1984), S.363.
Mačiuika (1963), S.83.
Remeikis, S.34.
Gerutis (1984), S.376.
Vardys (1965), S.106.
Tauras, S.33 f.

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

61

te Organisierung des Widerstandes begann. Im Januar 1947 übersiedelte diese Zentrale
nach Vilnius.270
Von dieser Konferenz ging eine Signalwirkung für die Untergrundkämpfer im ganzen Land aus. Zwar hatten sich schon seit Dezember 1944 vereinzelt Gruppen zu Regionen zusammengeschlossen, um schlagkräftiger auftreten zu können. Doch erst die
Gründung der legendären Tauras-Region weckte noch einmal die Hoffnung auf einen
erfolgreichen Kampf gegen die Okkupanten. Im Sog dieser Entwicklung wurden folgende Distrikte gebildet:
– Vytis-Region (litauisch: Vyčio apygarda), existent von Dezember 1944 bis
Januar 1953;
– Didžiosi-Kova-Region (litauisch: Didžiosios Kovos apygarda), existent von
Februar 1945 bis Januar 1953;
– Žemaičiai-Region (litauisch: Žemaičių apygarda), existent von März 1945 bis
August 1953);
– Vytautas-Region (litauisch: Vytauto apygarda), existent von August 1945 bis
Dezember 1951;
– Tauras-Region (litauisch: Tauro apygarda), existent von August 1945 bis Juni
1952;
– Dainava Region (litauisch: Dainavos apygarda), existent von November
1945 bis August 1952;
– Kęstutis-Region (litauisch: Kęstučio apygarda), existent von September 1946
bis Juni 1953;
– Algimantas-Region (litauisch: Algimanto apygarda), existent von Mai 1947
bis November 1950;


Prisikėlimas-Region (litauisch: Prisikėlimo apygarda), existent von April
1948 bis Juni 1952.271

Benannt waren diese Distrikte nach historischen Herrschern, Ereignissen oder Landschaften Litauens. Damit sollte bereits der Name den programmatischen Kampf nach
Unabhängigkeit unterstreichen.
Die Einrichtung von zunächst sieben Regionen legt den Schluß nahe, daß dies in
Anlehnung an die ebenfalls sieben operativen Sektoren272 des NKVD geschah. Doch
dadurch wird verkannt, daß die Strukturen der feindlichen Verbände völlig unter270 Ebd., S.34.
271 Nach Žemaitienė, S.29.
272 Siehe GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440, S.9.

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schiedlich waren. Bei genauerer Betrachtung der Gebiete, zu denen sich die kämpfenden Einheiten zusammenschlossen, fällt die Konzentration des NKVD auf die Städte
auf, wohingegen die Partisanen sich auf die ländlichen Gegenden verlegten. Dort hatte
der Untergrund seinen Rückhalt; dort wurde das Personal rekrutiert. Im Gegensatz
zum Zentralismus der Čekisten wurden die Regionen weiter unterteilt: in zwei bis fünf
sogenannte Korps, diese wiederum in Distrikte zu drei bis acht ländlichen Distrikten
oder Pfarreien zu zwei bis vier ländlichen Distrikten.273 Doch kann man die Gliederung des Landes durch beide Konfliktparteien insofern in Beziehung setzen, als man
sich davon eine höhere Schlagkraft versprach. Da das NKVD dieser Frage im Juni
1945 – zu einem Zeitpunkt, da die bestehenden Partisanenregionen noch lose Zusammenschlüsse waren – größte Priorität einräumte, kann man feststellen, daß die sowjetischen Organe damit den Widerstand unter Zugzwang setzten.
2. Der Kampf geht weiter...
a. Der erneute Versuch einer zentralisierten Führung
Zwar war die Gründung der einzelnen Regionen auf Anweisungen und Instruktionen
der LLA zurückzuführen, doch gewann der Kampf vor Ort eine Eigendynamik. Nicht
mehr die Zentrale bestimmte über die Aktionen der Einheiten, sondern die örtlichen
Offiziere. Schließlich war es aber nicht der innere Kontrollverlust, der die überregionalen Organisationen zerstörte, sondern die gezielten Operationen des NKVD hatten der
litauischen Führung den Todesstoß versetzt.
Am 28. März 1946 konnte der Leiter des GUBB Leont’ev dem stellvertretenden Innenminister der UdSSR Rjasnyj folgenden Erfolg mitteilen: „In der Litauischen SSR
sind die wesentlichen Untergrundorganisationen „Freiheitsarmee Litauens“ („LLA“),
„Union litauischer Partisanen“ („LPS“), „Oberstes Komitee zur Befreiung Litauens“
(„VKOL“) und bedeutende Banden zerschlagen worden.“274 Zwar bedauerte er gleichzeitig, daß „(...) in der Republik viele noch nicht liquidierte kleine, aber aktive Banden
und verzweigt in sieben nationalistische Untergrundorganisationen (übriggeblieben
sind), die in der Republik eine angespannte Lage schaffen.“275 Doch konnte die Zerschlagung der größten Untergrundgruppen als bedeutendste Schwächung der antisowjetischen Opposition seit Wiederbesetzung Litauens gelten. Als Folge der Anordnung
273 Žemaitienė, S.29.
274 GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543, S.24; VKOL (Verchovnyj Komitet Osvoboždenija Litvy) ist die
russische Abkürzung für LIK, das bei den Sowjets noch VLIK genannt wurde.
275 GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543, S.24.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

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von Bartašiūnas vom 15. Februar und der sich daran anschließenden Deportationen
war die litauische Widerstandsbewegung wieder einmal enthauptet worden.
Damit war der Wille, sich den Sowjets zu widersetzen, aber nicht gebrochen. Im Juni 1946 betrieb der Kommandeur der Tauras-Region, Antanas Baltūsis, die Schaffung
eines einheitlichen Oberkommandos für alle Partisanendistrikte. Ergebnis dieser Initiative war die Gründung einer neuen, einheitlichen Bewegung, die sich den Namen
BDPS (Bendras Demokratinio Pasipriešinimo Sąjūdis/Vereinigte Demokratische Widerstandsbewegung) gab.276 Es wurde ein Präsidium geschaffen, dem das Kommando
über die Regionen übertragen wurde. Eine Trennung der politischen von den militärischen Angelegenheiten – nun unterschiedlichen Sektoren unterstellt – wurde vollzogen, sowie eine Auslandsvertretung eingerichtet.277 Die Ziele der Organisation blieben
die gleichen wie die ihrer Vorgänger: ein an den Westmächten orientierter demokratischer Staat auf der Basis christlicher Werte und einer internationalen Ausrichtung,
einhergehend mit sozialen und wirtschaftlichen Reformen. Um das zu erreichen, wurde Gewalt als notwendiges Übel gebilligt und als Strategie die Behinderung der sowjetischen Administration verfolgt.278
b. Kampf gegen die Sowjetisierung
Nachdem sich zur Jahreswende 1945/46 abgezeichnet hatte, daß die Sowjets Oberhand
zu gewinnen begonnen hatten, zählte es für die Behörden zu den vordringlichsten
Maßnahmen, die inzwischen überfällig gewordenen Wahlen – das letzte Mal war während der ersten sowjetischen Besatzung abgestimmt worden – abzuhalten. Bevor aber
Republikswahlen durchgeführt werden sollten, wurde als Testfall zur Stimmabgabe für
den Obersten Sowjet der UdSSR aufgerufen. Trotz Versprechen von Genuß- und Lebensmitteln einerseits und Drohungen andererseits hatten die Staatsorgane im Februar
1946 wenig Erfolg, die Bevölkerung zur Abstimmung zu bewegen. Auch die Aussendung von NKVD-Trupps zur Durchsetzung des „Wahlrechts" erzielte nicht das erwünschte Resultat. Schließlich beteiligten sich etwa 27 Prozent an den Wahlen,
obwohl die sowjetische Propaganda von 96 Prozent sprach.279 Grund für den mangelhaften Gang zu den Urnen war das massive Auftreten der Partisanen, die große Anstrengungen unternahmen, um für einen Mißerfolg dieses Ereignisses zu sorgen. So
276 Misiunas/Taagepera (S.84) geben den 10. Juni als Gründungsdatum an; Žemaitienė (S.32) nennt
den 6. Juni. Wahrscheinlich fielen die Beratungen dazu in diesen Zeitraum.
277 Žemaitienė, S.32.
278 Vardys (1965), S.97 f.
279 Tauras, S.58.

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Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

wurden die Informationswege unterbrochen, um die Kommunikation der Sowjets und
ihrer Nachrichtendienste zu stören. Wahllokale wurden unter Beschuß genommen und
vereinzelt Kommunisten hingerichtet.280 Erfolgreich war vor allem das Einsammeln
von Pässen der Stimmberechtigten. Da sie sich nun nicht mehr – ohne eigenes Verschulden – ausweisen konnten, blieb ihnen die Stimmabgabe versagt.281 Ebenso desaströs verliefen die Wahlen zum Obersten Sowjet der Litauischen SSR am 9. Februar
1947. Nach den Erfahrungen des Vorjahres setzten die Sowjets jetzt zwar darauf, daß
eine Verstärkung der MVD-Truppen von 50.000 auf 110.000 Mann zu dem gewünschten Resultat führen sollte. Pro Stimmbezirk wurden 25 bis 50 Soldaten abgestellt, um
für einen ruhigen Urnengang zu sorgen. Desweiteren wurden Gruppen von zehn bis
fünfzehn Mann dazu abgestellt, um die Bevölkerung zur Abstimmung zu bewegen.
Trotz dieser Bemühungen fiel das Ergebnis noch unbefriedigender aus als ein Jahr zuvor: Dieses Mal hatten nur 15 Prozent ihre Stimme abgegeben; dennoch war auf Seiten
der Sowjets von einer Wahlbeteiligung von 96 Prozent die Rede. Um nicht ein weiteres Mal eine solche Katastrophe zu erleben, wurde die Abstimmung bei den Justizwahlen auf den 9. und 16. Februar 1948 verteilt, um die Kräfte bündeln zu können.282
Ähnlich massiver Widerstand wurde der wirtschaftlichen Umformung des Landes
entgegengesetzt. Als eine seiner letzten Taten in Litauen betrieb Suslov ab Februar
1946 die Integration der litauischen Wirtschaft in den 4. Fünfjahresplan der Sowjetunion. Dazu war aber die vollständige Kollektivierung der Landwirtschaft notwendig.
Doch gerade dagegen wehrten sich nicht nur die Partisanen, sondern auch – wie Ende
der zwanziger Jahre ihre russischen Nachbarn – die litauischen Bauern. Zwar hatten
die Sowjets bereits in einem Dekret vom 30. August 1944 verfügt, daß eine Landreform durchzuführen sei. Dabei war es Einzelpersonen erlaubt worden, maximal 30
Hektar Land zu besitzen; bei offensichtlich oppositionell eingestellten Landwirten war
diese Zahl jedoch auf einen halben Hektar beschränkt gewesen. Doch hatte die neue
Landverteilung erheblichen Widerstand des Untergrundes ausgelöst. Den Bauern wurde verboten, enteignetes Land anzunehmen.283 Im Jahre 1946 glaubte man von seiten
der Behörden, daß die Zeichen für eine Umverteilung günstiger stünden. Suslov erkannte aber wohl, daß der Widerstand nicht gebrochen sei. Die oben erwähnten Strafmaßnahmen des NKVD im Februar dieses Jahres standen in unmittelbarem
Zusammenhang damit. Da diese Repressionen nur langsam Wirkung zeigten, konnte
280
281
282
283

Gerutis (1984), S.365.
Misiunas/Taagepera, S.87.
Remeikis, S.36.
Tauras, S.66 f.

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erst im Jahre 1947 mit der Bekämpfung der Kulaken der Grundstein für die Umstellung auf Kollektivwirtschaft gelegt werden. Nun waren nur noch 18 Hektar pro Landwirt geduldet, später gar nur noch fünf Hektar. Zusätzlich wurde diesen Großbauern
die doppelte Abgabenmenge aufgebürdet. Bei Verweigerung der geforderten Leistung
drohten Verhaftung und Konfiskation des Besitzes. Dieser fiel dann an russische Neusiedler.284 Von ihnen wurden schließlich Kolchozen gegründet, die ein neues Angriffsziel für Partisanen bildeten. Jedoch war ihren Aufforderungen an die neuen russischen
Siedler, innerhalb eines Monats das Land zu verlassen, wenig Erfolg beschieden. Auch
die Ermordung russischer Siedler konnte an der allmählichen Durchsetzung der Kollektivierung nichts ändern.285 Im Jahre 1949 konnten die Sowjets ihre Politik der Kollektivwirtschaft durchsetzen: Während am Anfang dieses Jahres erst 3,8 Prozent aller
Höfe kollektiviert waren, so waren es Ende 1949 schon 62,4 Prozent; im Laufe des
darauffolgenden Jahres waren schließlich 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe
in Genossenschaften organisiert.286 Endgültig abgeschlossen werden konnte diese Umstellung im Jahre 1952287 – zu einem Zeitpunkt, da der litauische Widerstand bereits
all seine Wirksamkeit verloren hatte.
c. Konsolidierung und Kapitulation
Als die sowjetischen Behörden zu Beginn des Jahres 1946 in die Offensive gingen,
galt in Litauen noch das Kriegsrecht. Erst im Juli wurde es aufgehoben.288 Das konnte
nun geschehen, weil ab diesem Jahr gewaltsame Zusammenstöße abnahmen289 und
sich der Untergrundkampf – wie erwähnt – auf die Blockade der Staatsorgane verlegte.
Dennoch schreckten die Partisanen nicht vor grausamen Aktionen zurück – mitleidslos
anderen und sich selbst gegenüber: Kollaborateure wurden bekämpft und getötet,
Selbstmorde der Widerstandskämpfer, die, um nicht identifiziert zu werden, Handgranaten vor dem Gesicht zündeten, nahmen zu.290 Auch auf die Bevölkerung wurde mittels Verboten und Bestrafungen eingewirkt. So war ihnen eine Verbrüderung mit den
ins Land gekommenen Russen untersagt. Auch das Schwarzbrennen wurde verfolgt

284
285
286
287
288
289
290

66

Žemaitienė, S.33.
Tauras, S.64 ff.
Žemaitienė, S.37.
Gerutis (1984), S.375.
Starkauskas, S.54.
Hermann, S.94.
Vardys (1965), S.96.
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und der Konsum von Alkohol verboten, damit nicht im Rausch Geheimnisse ausgeplaudert würden. Verräter und Diebe wurden wie Kollaborateure bestraft.291
Diese Strafmaßnahmen waren solange möglich, wie der Untergrund einig und stark
war. Auf einer Konferenz am 12. Januar 1947 stellte sich die Frage nach dem Selbstverständnis der BDPS. Man wollte nicht länger nur der militärische Arm einer exilierten Opposition sein, zu der man kaum noch Kontakt hatte, sondern forderte politischen
Einfluß.292 Daher wurde beschlossen, die Leitung der Organisation wieder zu vereinheitlichen.293 Eine Straffung der Arbeit in den Regionen war bereits durch etliche Fusionen der Kampfdistrikte versucht worden.294 Da durch die Deportationen und
Tötungen viele der Partisanenkader nicht mehr einsatzfähig waren, entschloß man sich
auch zur Ausbildung von neuen Kämpfern, um aus dem Kreise der Absolventen neue
Offiziere zu rekrutieren. Im Sommer 1947 erhielten 72 Soldaten der „Grünen Armee"
im Wald einen 17-Tage-Kurs, der – im Gegensatz zu seiner Nachfolgeveranstaltung –
reibungslos verlief. Ein Jahr später im September wurde ein erneuter Lehrgang von
den Staatssicherheitsorganen aufgedeckt und die Hälfte der Teilnehmer verhaftet.295
Neben diesem inneren Konsolidierungskurs versprach man sich von einer Botschaft
an den Papst, daß das Anliegen der Partisanen in das Bewußtsein der Weltöffentlichkeit gerückt werden könnte. Am 24. September 1947 wurde ein „Brief der Römischen
Katholiken der Republik Litauen an seine Heiligkeit Pius XII.“ verfaßt. Inzwischen
waren die litauischen Bischöfe – bis auf den Bischof von Panevėžys, Kazimieras Paltarokas – nach der Veröffentlichung eines Aufrufes, den Bischof von Telšiai, Vincentas
Borisevičius freizulassen, verhaftet worden. Borisevičius war als Druckmittel interniert worden, um eine Bischofskonferenz am 21. Februar 1946 im Sinne der Sowjets
verlaufen zu lassen.296 Die einzige Reaktion des Vatikans auf den Hilferuf blieb lediglich die Verstärkung der litauischen Programme von Radio Vatikan.297 Interessant ist
aber, wie dieser Brief außer Landes geschafft wurde. Beauftragt wurde damit im Dezember 1947 Juozas Lukša. In seinem Buch „Hinter dem Eisernen Vorhang" beschreibt er unter dem Pseudonym „Juozas Daumantas" detailliert seinen gefährlichen
291
292
293
294

Gerutis (1984), S.366.
Vardys (1965), S.102.
Hermann, S.94.
Žemaitienė (S.38) nennt folgende Vereinigungen: 9. April 1946 von der Dainava- und Tauras- zur
Nemunas-Region; 1. Mai 1948 von der Vytautas-, Vytis-, Algimantas- und Didþiosi-Kova-Region;
5. Mai 1948 von der Kęstutis-, Žemaičiai- und Prisikėlimas- zur Jura-Region. Am 2. Januar 1947
wurde zusätzlich im Osten der Karalius-Mindaugas-Bezirk gegründet.
295 Misiunas/Taagepera, S.85.
296 Vardys (1978), S.72.
297 Tauras, S.93.

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Weg über die Grenze des „Eisernen Vorhanges", die für ihn die sowjetisch-polnische
Grenze darstellte.298 In erster Linie ihm ist das Wissen seiner Zeitgenossen um das „litauische Problem" zu verdanken. Außer der Überbringung der Botschaft sollte er im
Westen nach Verbündeten suchen. Jedoch verweigerten die Amerikaner ihm die Unterstützung, obwohl sie bei seiner Rückkehr in die Heimat behilflich waren.299 Nach
seiner Heimkehr im Oktober 1950 wurde er zum meistgejagten Mann in der Litauischen SSR. Zeitweise von 2.000 MVD-Häschern verfolgt, starb er im April oder Mai
1951 im Wald von Kazlų Rūda.300
Nicht nur bei der Liquidierung einzelner Personen waren die Behörden erfolgreich,
ein gewichtiger Schlag gegen die BDPS gelang ihnen im Jahre 1948. Zu dieser Zeit
stand mit Juozas Markulis ein MGB-Agent an der Spitze dieser Untergrundbewegung.
Sein Ziel war es, die Organisation von innen her zu zerstören. Dazu machte er seinen
Einfluß insofern geltend, als er zur Demobilisierung und Entwaffnung aufrief und versprach, gefälschte Papiere für die Rückkehr in die Legalität zu beschaffen. Leute, die
sich daran beteiligten und den Untergrund verließen, wurden jedoch meistens verhaftet. Auch Führer von Regionen fielen durch Verrat dem MGB in die Hände. Waren sie
erst einmal aus dem Verkehr gezogen, suchten die Sowjets, ihre Agenten an die Stelle
der Festgenommenen zu plazieren. Daß dies auch gelang, zeigt das Beispiel der
Didžiosi-Kova-Region, deren Chef nach der Verhaftung des Kommandeurs Misiūnas
Kapitän Griežtas wurde, der eigentlich als V. Pečiūra Agent des MGB war.301
Durch diese Infiltrations- und Provokateursmaßnahmen der Sowjets diskreditiert,
beschloß man am 16. Februar 1949, sich in LLKS umzubenennen.302 Auf dem größten
Partisanentreffen, das je in Litauen stattgefunden hat, wurden in einem Bunker bei Minaičiai zwischen dem 10. und 20. Februar 1949 neben der Namensänderung strukturelle Probleme angesprochen. So wurden kleinere konspirative Gruppen gebildet, die
Sabotageakte verüben sollten.303 Auch wurde ein neues Präsidium gewählt, an dessen
Spitze Jonas Žemaitis trat; seine Stellvertreter wurden Adolfas Ramanauskas und Juozas Šibaila. Außerdem wurde ein Manifest verabschiedet, das die Unabhängigkeit de-

298 Daumantas, Fighters for Freedom: Lithuanian partisans versus U.S.S.R., Toronto 1988.
[Neudruck].
299 Misiunas/Taagepera, S.85 f.
300 Žemaitienė, S.42.
301 Ebd., S.32.
302 Ebd., S.39.
303 Vardys (1965), S.85.

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klarierte, sich zur Bildung einer provisorischen Regierung und demokratischen Wahlen bekannte, sowie die Kommunistische Partei verbot.304
Jedoch kam diese Verlautbarung zu einem Zeitpunkt, da der Partisanenkampf bereits verloren war. Zwar gelang ihnen im Widerstand gegen die Kollektivierung vereinzelt noch ein letzter „Pyrrhus-Sieg“ (Misiunas/Taagepera), doch war das Jahr 1949
der endgültige Wendepunkt zugunsten der Sowjets. Von Jahr zu Jahr reduzierte sich
jetzt die Zahl derer, die bereit waren, im Untergrund weiter für die Unabhängigkeit ihrer Heimat zu kämpfen. Hinzu kam, daß durch den Ausfall des Anführers Žemaitis –
er hatte einen Schlaganfall erlitten – die Organisation geschwächt wurde. Er wurde
schließlich am 30. Mai 1953 festgenommen und nach einer persönlichen Vernehmung
durch Berija am 26. November 1954 hingerichtet.305 Sein Stellvertreter Ramanauskas
hielt zwar noch bis 1956 im Wald aus; jedoch hatte seine Stellung weniger mit der eines Armeechefs gemein als vielmehr mit der eines Verfolgten und Geächteten. Auch
er wurde letztlich gefaßt und ermordet.306 Viele sahen nun die Aussichtslosigkeit dieses Kampfes und entschieden sich für ein Leben in der Legalität.
Daß es aber auch noch Mitte der fünfziger Jahre Untergrundkämpfer gab, beweisen
zahlreiche Begnadigungsangebote von seiten des Staates. So erschien in der „Izvestija“
vom 18. September 1955 auf Seite drei ein Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets
der UdSSR „über die Amnestie sowjetischer Bürger, die mit den Okkupanten in der
Periode des Großen Vaterländischen Krieges 1941–1945 zusammengearbeitet haben."
Ziel dieses Dekrets war es, „diesen Bürgern die Möglichkeit zu gewähren, zu einem
ehrlichen werktätigen Leben zurückzukehren und ein nützliches Mitglied der sozialistischen Gemeinschaft zu werden."307 Dazu war vorgesehen, daß Freiheitsstrafen bis zu
zehn Jahren aufgehoben und solche darüber halbiert würden. Ehemalige Angehörige
der deutschen Armee, Polizei oder anderer Formationen seien ungeachtet der Dauer
der Strafe freizulassen. Ausgenommen davon waren Angehörige von Strafkommandos, die für Folterungen und Morde an Sowjetbürgern verantwortlich waren. Ausdrücklich miteinbezogen wurden aber ins Ausland Geflüchtete. Ihnen wurde eine
straffreie Rückkehr zugesichert. Ein halbes Jahr später wurde dieses Angebot in der
„Sovetskaja Litva“ erneuert. Bezog sich der Ukaz in der „Izvestija“ vor allem auf Kollaborateure, so wendet sich der Aufruf „Zu einem ehrlichen, sowjetischen Leben“308
304
305
306
307
308

Žemaitienė, S.39.
Ebd., S.43.
Misiunas/Taagepera, S.91.
Izvestija, Nr. 222 (11911), 18.9.1955, S.3.
Sovetskaja Litva, Nr. 69 (3875), 22.3.1956, S.2.

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auch an Untergrundkämpfer. Mit Verweis auf den Beschluß des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR des Vorjahres „wendet(e) (er) sich an sich noch immer Versteckende.“309 Ihnen wurden dieselben Zugeständnisse gemacht wie den Kollaborateuren,
um sie zur „Rückkehr zu einem ehrlichen Arbeitsleben (zu bewegen) und zu einem
nützlichen Mitglied der sozialistischen Gemeinschaft (zu machen)“.310 Aber nicht bei
allen Widerstandskämpfern hatten diese Appelle Erfolg: der letzte Partisan, Stasys
Guiga, starb im Jahre 1986 – sich noch immer versteckt haltend.311
Mit der Einstellung der Angriffe aus dem Untergrund Ende der fünfziger Jahre war
der Widerstand der Litauer nicht endgültig gebrochen. Zwar flaute er während der
„Tauwetterperiode“ unter Chruščev weiter ab, um dann zu Zeiten Brežnevs wieder zu
erstarken. Doch nahm der Widerstand eine andere Form an. Nicht mehr der bewaffnete
Kampf war Ausdruck der Ablehnung der gegenwärtigen Herrschaft, jetzt fand die Systemkritik durch politische Willensäußerungen statt. Tauras nennt diese Art von Opposition „kulturellen Widerstand“312. Dazu zählt er jedwede Auflehnung gegen
sowjetische Maßnahmen zur Geschichtsklitterung, Russifizierung, Verbreitung des
Atheismus sowie gegen den Kunststil des „sozialistischen Realismus“, deren Folge
Entlassungen oder Verhaftungen sein konnten. Das Jahr 1972 markierte dabei den Anfang dieser neuen Ära des Protestes. Im Frühling dieses Jahres löste die Selbstverbrennung des Studenten Romas Kalanta in Kaunas blutige Unruhen aus. Bei diesen
Auseinandersetzungen sah sich die Staatsmacht dazu genötigt, Fallschirmspringer einzusetzen.313 In der Folgezeit erlebte die Untergrundpresse eine Wiedergeburt. Als Organ des kirchlichen Widerstandes galten seit dieser Zeit die „Chroniken der
katholischen Kirche Litauens“ (Lietuvos Katalikų Bažnyčios kronikos).314 Unterstützt
von der Kirche und begünstigt durch die innere Entwicklung der Sowjetunion konnte
sich in der Illegalität eine Bewegung entwickeln, die schließlich auf dem friedlichen
Weg das erreichte, wofür die litauischen Partisanen über ein Jahrzehnt lang gekämpft
hatten: die staatliche Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu den 20.000 getöteten Opfern
des Partisanenkampfes nahm sich die Zahl der im Januar 1991 am Fernsehturm von
Vilnius Gefallenen mit vierzehn vergleichsweise gering aus.315
309
310
311
312
313
314
315

70

Ebd.
Ebd.
Žemaitienė, S.44.
Tauras, S.100 ff.
Lozoraitis, S.87.
Žemaitienė, S.44.
Die Schätzungen über die Gesamtzahl der im litauischen Guerillakrieg getöteten Kämpfer gehen
weit auseinander. Während neuere (Starkauskas, S.61; Žemaitienė, S.44) sowie sowjetische UnterOsteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

3. Gründe für das Scheitern des Partisanenkampfes
Mit einiger Berechtigung kann gefragt werden, ob zu irgendeinem Zeitpunkt Aussicht
auf Erfolg des litauischen Partisanenkampfes bestanden hätte. Ist es überhaupt möglich, daß ein Drei-Millionen-Volk in der Auseinandersetzung mit einer Weltmacht besteht? Die Projektion des alten Bildes von „David gegen Goliath“ auf das behandelte
Problem scheint hier eine zulässige Anwendung zu finden. Doch gewann in dieser Erzählung der kleine David dieses Ringen. „David gegen Goliath“ – lediglich eine Fiktion zur Ermutigung von vermeintlich Schwächeren?
Das Beispiel Vietnam mutet als Bestätigung des biblischen Bildes an; die Vertreibung der USA als Sieg eines Volkes über eine Supermacht. Doch fand der Konflikt in
Indochina unter gänzlich anderen Bedingungen statt. Er war bereits einer jener Statthalterkriege, die das Zeitalter des „Kalten Krieges“ prägten. Dagegen ist das „litauische Problem“ mit eine Voraussetzung für die Entstehung dieser Epoche.
Dennoch sind beide Ereignisse insofern vergleichbar, als die Ursache für den Mißerfolg des litauischen Widerstandes ebenso vielschichtig war wie die Gründe für den Erfolg des Vietcong. Im Fall Litauens spielten folgende drei Faktoren eine gewichtige
Rolle: der litauische, der sowjetische und der internationale. Miteinander standen sie in
engem Zusammenhang und beeinflußten sich gegenseitig. Wegen dieser Wechselwirkung fällt eine Beurteilung schwer, was schließlich den Ausschlag für den Zusammenbruch des litauischen Untergrundes gab. Letztlich war es diese Korrelation, die der
bewaffneten Opposition ein opferreiches Ende bereitete.
a. Erschöpfung und Realitätsferne
Nachdem Litauen im Jahre 1940 das erste Mal von der Roten Armee okkupiert worden
war, brach die Zeit des Widerstandes an. Als im Jahre 1959 drei aktive Partisanen von
den sowjetischen Staatssicherheitsorganen getötet wurden,316 waren zwei Jahrzehnte
seit dem ersten Aufbegehren vergangen. Wenn auch zu diesem Zeitpunkt die Lage in
suchungen (Vardys (1997), S.84) von etwa 20.000 Gefallenen ausgehen, lagen die Zahlen der im
„Kalten Krieg“ veröffentlichten Werke weit darüber: von 30.000 (Tauras, S.96; Vardys (1965),
S.86) über 40.000 bis hin zu 50.000 Opfern ist hier die Rede. Die meisten Autoren schätzen die
Zahlen auf zwischen 30.000 und 50.000 (Gerutis (1984), S.376; Hermann, S.95; Misiunas/Taagepera, S.278). Die Zahl der Opfern unter den NKVD-Streitkräften war wesentlich höher.
Sowjetische Quellen sprechen zwar nur von etwa 20.000 Gefallenen (Vardys (1997), S.84), die
westliche Historiographie hingegen von 80.000 (Gerutis (1984), S.369; Misiunas/Taagepera,
S.278; Tauras, S.50.).
Bei der Bewertung dieser Zahlen ist zu beachten, daß die Grenze zwischen in den Kämpfen Gefallenen, Opfern von Vergeltungsschlägen oder wegen Verbrechen Verurteilten fließend ist, und es
deshalb wohl teilweise zu Überschneidungen gekommen ist.
316 Remeikis, S.39.
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Litauen nicht mit den Jahren des Zweiten Weltkrieges vergleichbar war, so gab es
noch bis zur Auflösung der BDPS, der letzten zentralen Widerstandsbewegung, Ende
der vierziger Jahre kämpferische Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht. Doch die
Mittel für diese Zusammenstöße wurden immer rarer: Die Waffen gingen bei Scharmützeln verloren.317 Hatte man noch zu Beginn des Partisanenkampfes durch Überfälle auf sowjetische Einrichtungen versucht, diese Einbußen wettzumachen, so wurde
das durch die Verstärkung der NKVD-/MVD-Truppen immer gefährlicher.318 Neben
dem ausgehenden Material waren es aber vor allem die ausbleibenden Personen, die
die Untergrundkämpfer gegenüber ihren Gegnern enorm zurückwarfen. Nach einem
Jahrzehnt des Widerstandes waren viele Leute erschöpft und sehnten sich nach einem
konfliktfreien Leben in der Legalität. Zu der permanenten Flucht vor den Staatsorganen gab es eine Alternative: seinem erlernten Beruf nachzugehen und sich mit dem
Regime zu arrangieren. Man gewann die Einsicht, daß der Kampf der vergangenen
Jahre keine Fortschritte in Richtung staatlicher Souveränität gebracht hatte und ohne
fremde Hilfe nicht zu gewinnen war.
Die Hoffnung auf Hilfe aus dem Ausland war spätestens mit der Rückkehr Lukšas
aus dem Westen im Oktober 1950 begraben worden. Genährt worden war diese Zuversicht durch den Abwurf der ersten Atombomben am 6. und 9. August 1945.319 Doch
genau diese neue Waffe sorgte in der Folgezeit für Zurückhaltung bei Kriegsdrohungen – im Bewußtsein der verheerenden Wirkung einerseits und des entstandenen nuklearen Patts andererseits. So erreichte die Partisanen im Jahre 1947 eine Nachricht aus
Westdeutschland, die davon kündete, daß kein Konflikt zwischen den einstigen Alliierten bevorstünde, das isolierte Litauen.320 Dennoch wurden bis ins Jahr 1949 von den
Partisanen Pläne erstellt, wie man sich in einem solchen Fall verhalten werde.321 Diese
Verkennung der weltpolitischen Lage zog den – inzwischen aussichtslosen – Partisanenkampf in die Länge.
b. Mangel an Kampfkraft und Nahrung
Eigentlich war der Kampf des litauischen Widerstandes bereits im Jahre 1946 militärisch verloren. Bis dahin waren täglich 15.000 bis 20.000 NKVD-Soldaten im Einsatz
317 Tauras (S.97) schätzt die jährlichen Verluste an Maschinengewehren auf 500 und die an anderen
Feuerwaffen auf 3.000. Insgesamt seien 4.000 Maschinengewehre und 25.000 sonstige Waffen den
Partisanen abhanden gekommen.
318 Gerutis (1984), S.376.
319 Tauras, S.92.
320 Remeikis, S.31.
321 Žemaitienė, S.40.

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gegen die Unabhängigkeitskämpfer; ab 1946 waren es nur noch 3.000 bis 4.000.322
Auch stützt die Anzahl der čekistischen Operationen und der getöteten Partisanen diese These: In den drei Nachkriegsjahren wurden mindestens so viele Aktionen des
NKVD durchgeführt wie in der Zeit nach 1946; zur gleichen Zeit fielen etwa 70 Prozent aller in der Auseinandersetzung getöteten Untergrundkämpfer den sowjetischen
Streitkräften zum Opfer.323 Diese Zahlen sind ein Beleg dafür, daß die Intensität der
„Banditenbekämpfung“ abklang. Das konnte nur geschehen – da das gesamte Problem
in den fünfziger Jahren verschwand –, wenn gleichzeitig die Angriffe der Partisanen
nachließen.
Warum aber reichte es aus, nach 1946 nur noch die 4. Schützendivision gegen den
litauischen Untergrund kämpfen zu lassen?324 Neben der allgemeinen Kriegsmüdigkeit
war eine weitere Aktion der Sowjets maßgeblich dafür verantwortlich: die Kollektivierung. Zwar hatten die Widerstände gegen die Vergesellschaftung der landwirtschaftlichen Betriebe zunächst Wirkung gezeigt – schließlich wurden die meisten Höfe erst
am Ende der vierziger, zu Beginn der fünfziger Jahre kollektiviert. Doch die Durchsetzung dieser Sowjetisierungsmaßnahme durch die Behörden bedeuteten das endgültige
Aus für die illegale Opposition. Denn – wie bereits erwähnt – waren die Partisanen auf
die Versorgung mit Lebensmitteln durch Bauern angewiesen, um sich – dieser Sorge
entledigt – voll auf ihren Kampf konzentrieren zu können. Deshalb wurde so viel darangesetzt, kollektivierte Höfe zu zerstören und ihre Organisatoren zu töten.325 Die
steigenden Zwangsabgaben und die bei deren Verweigerung angewandten Bestrafungen sorgten immer stärker für Engpässe beim Nachschub von Nahrung.326 Letztlich
wurde durch die Kollektivierung den Partisanen die materielle Grundlage entzogen,
und sie waren zur Aufgabe gezwungen.
c. Innere und äußere Schwächen der Emigration
Wesentlich früher schon war es zum Abbruch der Beziehungen zum Ausland gekommen. Bis auf die Infiltrierung einiger Agenten aus dem westlichen Ausland, die zu Be322 Starkauskas, S.55.
323 Starkauskas (S.56) nennt 8.807 Operationen für das Jahr 1945, für das darauffolgende Jahr 15.811.
Zu dieser Zeit wurden noch etwa 1.000 Soldaten in einen Einsatz geschickt. Als in den Jahren danach nur noch einige Hundert Čekisten eingesetzt wurden, hatte sich die Zahl der Aktionen auf
jährlich etwa 500 reduziert. Getötet wurden in den Jahren 1944 und 1945 insgesamt 12.213 Partisanen, im Jahr 1946 noch 2.143. Die Opferzahlen nahmen dann in den nächsten Jahren kontinuierlich ab (1947: 1.540; 1948: 1.135; 1949: 963; 1950: 635; 1951: 590; 1952: 457; 1953: über 200).
(Starkauskas, S.61).
324 Starkauskas, S.53.
325 Remeikis, S.36.
326 Hermann, S.94.
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ginn der fünfziger Jahre auf dem Luft- oder Seeweg nach Litauen gebracht wurden,327
war seit dem Jahre 1947 die Verbindung zur Außenwelt abgebrochen. Davor gab es
noch regen Kontakt über Boten zu displaced persons (DP) im Westen.328 Jetzt aber
verschärfte sich der Ost-West-Konflikt dergestalt, daß sogar die sowjetisch-polnische
Grenze – wie von Lukša-Daumantas geschildert – zum „Eisernen Vorhang“ wurde.
Mit Stacheldraht, Minen und Wachen verstärkt wurde das Grenzland zu einer nahezu
unüberwindlichen Barriere auf dem Weg in die „Freie Welt“.329 Dort hatten sich im
Juli 1946 Vertreter des diplomatischen Korps der ehemaligen Republik Litauen sowie
des VLIK in Bern zu einer Konferenz getroffen. Ziel war es, eine Art Exilregierung zu
bilden. Doch als sich abzeichnete, daß diese von Smetona-Gegnern dominiert würde,
verweigerte der designierte „Außenminister“ Lozoraitis dem sogenannten „Exekutivrat“ die Anerkennung. Ergebnis dieser Streitigkeit war in der Folgezeit ein Gerangel
der verschiedenen Strömungen des Exils um Einfluß und Legitimation. So trat das
VLIK allmählich in Konkurrenz zum diplomatischen Dienst, so daß im Jahre 1954
beide Gruppen ihre Vertreter als Bevollmächtigte in die bundesdeutsche Hauptstadt
Bonn entsandten.330 Obwohl die Emigration in den USA weniger zerstritten war als ihre europäische Schwester, gelang es auch ihr nicht, die Mächtigen ihres Gastlandes zu
der erhofften Intervention im Baltikum zu bewegen. Immerhin erreichte der Amerikanische Litauerrat (Amerikos Lietuvių Taryba/ALT) im Jahre 1953, daß das Repräsentantenhaus in Washington eine Kommission zur Untersuchung der Inkorporation der
baltischen Staaten in die Sowjetunion einrichtete.331 Neben den Details über das Vorgehen der Sowjets, über das der geflüchtete NKVD-Offizier Burlitski informierte, gibt
der Bericht Auskunft über das Interesse der Amerikaner an dieser Problematik. So hat
man sich erkundigt, inwieweit die USA den besetzten Völkern Hilfe zukommen lassen
könnten. Der in Burlitskis Antwort erteilte Vorschlag kam dann aber nicht zur Realisierung: Es wurden weder nationale Armeen gebildet, noch die Verträge mit der Sowjetunion gekündigt oder die diplomatischen Beziehungen abgebrochen.332 Insofern war
der mangelnde Kontakt zum Exil und dessen Zerstrittenheit nur ein zusätzliches entmutigendes Zeichen für die Partisanen, aber keines, das unmittelbar zur Beendigung
327
328
329
330

Starkauskas, S.49.
Tauras, S.89.
Starkauskas, S.49.
Laut Gerutis (1978, S.152) war der Gesandte des VLIK Dr. P. Karvelis; der diplomatische Dienst
schickte Dr. A. Gerutis.
331 Gerutis (1978), S.140.
332 U. S. House of Representatives, 83rd Cong., 2nd sess., Third Interim Report of the Select Committee on Communist Aggression, S.1391.

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des Kampfes beitrug, weil die Emigration während des „Kalten Krieges“, in dem die
Doktrin der „friedlichen Koexistenz“ zur Basis der Beziehungen zwischen den Großmächten und ihren Verbündeten wurde, keine reelle Einflußmöglichkeit auf den Westen hatte.
IV. Forschungsstand – zwischen Verklärung und Verdrängung
1. „Allein, ganz allein“ – die westliche Historiographie
a. Beginn der Geschichtsschreibung in der Emigration
Die frühesten Nachrichten über Partisanenkämpfe in Litauen, die den Westen aus erster Hand erreichten, lieferte Lukša333 auf seiner Reise, deren Ziel die Gewinnung von
Unterstützung für den litauischen Untergrund war. Zuvor hatte nur der letzte Botschafter Großbritanniens in Kaunas, Ernest J. Harrison334, das Schicksal des baltischen
Staates während der Besatzung durch die beiden totalitären Großmächte in der Mitte
des 20. Jahrhunderts beschrieben. Aber nachdem er gezwungen war, Litauen zu verlassen, riß der Kontakt zum Baltikum ab, obwohl er sich der weiteren Entwicklung dort
widmete. Seitdem basierten alle geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen, die im
„Kalten Krieg“ durchgeführt wurden, auf den Schilderungen Lukšas. Von ihm wurden
– meist ohne Reflexion, da anderes Material nicht verfügbar war – Zahlen über Kämpfer, Tote und Operationen übernommen sowie der Einblick in die Strukturen der
„Waldbrüder“ dazu genutzt, sich ein Bild von den Auseinandersetzungen im Baltikum
zu machen. Im Jahre 1948 fand Material, das eine BDPS-Delegation in Schweden
druckte, über die Vorgänge in Litauen Verbreitung.335 Erst als im Jahre 1953 das USRepräsentantenhaus den „Sonderausschuß zur Kommunistischen Aggression“336 einrichtete, erhielt man – dank des Überläufers Burlitski – auch Kenntnis vom Innenleben
der sowjetischen Nachrichtendienste. Auch diese Berichte dienten von nun an als
Grundlage für historische Studien.
Größere Beachtung fand dieses Thema in der westlichen Historiographie auf dem
Höhepunkt des „Kalten Krieges“ in den fünfziger und sechziger Jahren. In zahlreichen
333 Daumantas, Juozas, Fighters for Freedom: Lithuanian partisans versus U.S.S.R., Toronto 1988.
[Neudruck].
334 Harrison, Ernest J., Lithuania´s Fight for Freedom, New York 1948; ders., Lithuania´s Fight for
Freedom, o. O., ³1952.
335 Žemaitienė, S.23.
336 U. S. House of Representatives, 83rd Cong., 2nd sess., Fourth Interim Report of the Select Committee on Communist Aggression, Washington, D. C., 1954; U. S. House of Representatives, 83rd

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Aufsätzen und Monographien versuchten „allein, ganz allein“ fast ausschließlich exillitauische Geschichtswissenschaftler, die Besetzung des Baltikums durch die Sowjetunion in das Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken.337 In der angelsächsischen
Emigration – seltener in der Bundesrepublik Deutschland – publizierten sie ihre Werke, die den Zeitgeist stark widerspiegelten. Dabei wurde eine Kritik an dem zurückhaltenden Verhalten der Westmächte bei der ersten sowjetischen Okkupation – anders als
beim „Münchener Abkommen“ – vermieden. Man identifizierte sich mit den westlichen Demokratien und war ihnen insofern verpflichtet, als den Emigranten dort eine
Plattform geboten wurde, um gegen die Sowjetunion zu agitieren und den Kommunismus zu kritisieren. Teilweise aus eigener Erfahrung des sowjetischen Vorgehens
wurden die Operationen des NKVD in den dunkelsten Farben dargestellt. Obwohl die
Brutalität der Sowjets nicht zu unterschätzen ist, wurde weitestgehend darauf verzichtet, die Gegengewalt der litauischen Partisanen zu beschreiben. Auch die englischsprachigen Autoren, die sich diesem Sujet widmeten, schlugen sich auf die Opferseite – die
Seite der Balten.338 In dieser – sehr ideologisch geführten – Auseinandersetzung war
kein Platz für eine objektive Betrachtung des Forschungsgegenstandes.
b. Eine neue Generation
Erst das „Tauwetter“, das von Moskau den Westen erfaßte, brachte eine differenzierte
Darstellungsweise mit sich. Nun setzte sich eine neue Generation von Historikern mit
den Ereignissen im Baltikum zur Mitte des 20. Jahrhunderts auseinander, obgleich einige Wissenschaftler sich bereits früher mit dieser Thematik beschäftigt hatten.339 Jetzt
Cong., 2nd sess., Third Interim Report of the Select Committee on Communist Aggression, Washington, D. C., 1954.
337 Pakštas, Kazys, Lithuania and World War II, Chicago 1947; Kalmė, Albert, Total Terror: An Exposé of Genocide in the Baltics, New York 1948; Pelekis, K., Genocide: Lithuania´s Threefold
Tragedy, Venta 1949; Šmulkštys, Julius, The Annexation of Lithuania by Soviet Union, in: Lituanus 2 (March 1955). S.7-9; Mačiuika, Benedict V., Lithuania in the last 30 years, New Haven
1955; ders., The Baltic States Under Soviet Russia: A Case Study in: Sovietization. Ph. D. diss.
Uni. of Chicago 1963; Tarulis, Albert N., Soviet Policy Toward the Baltic States. 1918-1940,
Notre Dame 1959; Žymantas, Stasys, Twenty Years of Resistance, Lituanus, VI/2 (September
1960), S.40-45; Tauras, K. V., Guerilla Warfare on the Amber Coast, New York 1962; Remeikis,
Thomas, The Armed Struggle Against the Sovietization of Lithuania After 1944, in: Lituanus,
VIII/1-2 (1962), S.29-40; Suduvis, N. E., Allein ganz allein: Widerstand am Baltischen Meer,
1964; Vardys, V. Stanley, The Partisan Movement in Postwar Lithuania, Slavic Review, XXII
(1963), S.499-522; ders., Lithuania Under the Soviets: Portraits of a Nation, 1940-1965, New
York 1965.
338 Harrison, Ernest J., Lithuania´s Fight for Freedom, New York 1948; ders., Lithuania´s Fight for
Freedom, o. O., ³1952; Manning, Clarence A., The Forgotten Republics, New York 1952; Swettenham, John Alexander, The Tragedy of the Baltic Republics, London 1952.
339 Gerutis, Albert, Independent Lithuania, New York 1969; ders., Occupied Lithuania, New York
1969; ders., Litauischer diplomatischer Dienst nach der Besetzung Litauens durch die Sowjetunion, in: Acta Baltica 18 (1978). S.116-155; ders., Pulk. Kazys Škirpa. Sukilimo Inspiratorius, Lon-

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wurde auch zum ersten Mal die Rolle der Westmächte kritisch beurteilt.340 Im Mittelpunkt der Betrachtung stand nunmehr der historische und politische Kontext, in den
die baltischen Vorgängen eingebettet waren. Dazu plante die „Association for the advancement of Baltic Studies“ (AABS) unter der Leitung des lettischen Historikers Edgar Anderson im Jahre 1970 eine dann nicht realisierte Untersuchung des Zeitraumes
von 1940 bis 1953.341 In dieser Zeit wurde die „Schwarz-Weiß-Malerei“ des „Kalten
Krieges“ abgelöst von einem Blick auf die Umstände, die schon in der Vorkriegszeit
den Weg für die spätere Entwicklung bereitet hatten. Gleichzeitig wurde der Grundstein für die seit den achtziger Jahren publizierten Gesamtdarstellungen litauischer Geschichte gelegt.
Ergänzend zu den historischen Studien erschienen Memoiren von an den Freiheitskämpfen Beteiligten, unter ihnen ein General des VLIK, Raštikis, und der Gründer der
LAF, Oberst Škirpa.342 Vielen von ihnen war nach der deutschen Besatzung die Flucht
in den Westen gelungen, wo sie in den Vereinigten Staaten von Amerika eine neue
Heimat fanden. Konnte man die USA als Zentrum des Exillitauertums bezeichnen, so
blieb es dort angesiedelten Emigranten vorbehalten, sich mit der Geschichte des Baltikums auseinanderzusetzen. Ansonsten beschäftigte man sich mit Litauen und seinen
Nachbarn im russischen oder sowjetischen Rahmen. Eine Ausnahme bildete dabei der
Finne Seppo Myllyniemi;343 in der deutschen Historiographie machte lediglich Manfred Hellmann Litauen zu seinem Forschungsgegenstand.344 Doch wurde nur in Einzelfällen der Widerstand des litauischen Volkes gegen die Sowjetisierung thematisiert, so

340
341
342
343
344

don 1981; Sabaliūnas, L., Lithuania in Crisis, Indiana 1972; Kaslas, Bronis J. (Hrsg.), The USSRGerman Aggression against Lithuania, New York 1973; ders., La Lithuanie et la Seconde Guerre
Mondiale. Recueil des Documents, Paris 1981; Misiunas, Romuald John/Vytas Stanley Vardys,
The Baltic States in peace and war, London 1978; Vardys, V. Stanley, The Catholic Church, dissent and nationality in Soviet Lithuania, 1978; Pajaujis-Javis, J., Soviet Genocide in Lithuania,
New York 1980; Misiunas, Romualdas J./Rein Taagepera, The Baltic States. Years of Dependence
1940–1980, Berkeley/Los Angeles 1983.
siehe Anderson, Edgar, Die politische Einstellung Englands zu den baltischen Staaten 1940–1946,
in: Zeitschrift für Ostforschung 30 (1981). S.559–587.
Association for the advancement of Baltic Studies (motivation plans). - Bulletin of Baltic Studies,
N. 1, New York 1970.
Raštikis, Stasys, Kovose del Lietuvos. Kario atsiminimai, Chicago 1972; Škirpa, Kazys, Sukilimas
Lietuvos Suverenumui Atstatyti, Washington D. C. 1973.
Myllyniemi, Seppo, Die Neuordnung der baltischen Länder 1941–1944. Zum nationalsozialistischen Inhalt der deutschen Besatzungspolitik. Helsinki 1973; ders., Die baltische Krise 1938–
1941, Stuttgart 1979.
Hellmann, Manfred, Grundzüge der Geschichte Litauens und des litauischen Volkes, Darmstadt
1966; ders., Die litauische Nationalbewegung im 19. und 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Ostforschung 2 (1952). S.66–106; ders., Die Kirche und die litauische Nationalbewegung, in: Kirche
im Osten. Jahrbuch 26 (1983). S.87–112.

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daß die Vorgänge in der Litauischen SSR wenigen Personen außerhalb des Kreises der
Exilanten bekannt waren.
Vorwiegend blieb die Darstellung litauischer Geschichte auch in den Folgejahren
weiterhin die Aufgabe litauischer Historiker. Doch durch die Edition von alle Epochen
litauischer Geschichte umfassenden Werken erhielt auch das Sujet des Partisanenkampfes eine gebührende Würdigung.345 Es erschienen weniger Aufsätze oder Monographien zu bestimmten Ereignissen; man widmete sich nunmehr der gesamten
Geschichte Litauens, in der das Streben nach Selbständigkeit ein Kontinuum in der
Neuzeit darstellte, aber der Guerillakrieg gegen die Sowjets eben nur ein weiteres Kapital davon war. Nach dem Beginn von „Umbau“ (russ. perestrojka) und „Öffentlichkeit“ (russ. glasnost’) war das Interesse an den „vergessenen“ Republiken gewachsen,
so daß Gesamtdarstellungen sich als erster Überblick über diesen vernachläßigten Bereich empfahlen. Erst das Ende der Sowjetunion und die Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit brachte eine Rückkehr zur Untersuchung von Einzelereignissen,
in deren Mittelpunkt eben dieser Partisanenkampf gegen die Sowjets stehen sollte.
2. „Der Kampf der Kommunistischen Partei“ – die sowjetmarxistische Blickrichtung
a. Der Partisanenkrieg als Klassenkampf
Daß die Thematik der – aus sowjetischer Sicht – „Banditenbekämpfung“ überhaupt
zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft werden konnte, war einem Plenum des
ZK der KP Litauens aus dem Jahre 1959 zu verdanken, das erst durch die Entstalinisierungspolitik Chruščevs ermöglicht wurde.346 Darauf wurde beschlossen, eine Historikerkommission einzusetzen, die sich mit der bourgeoisen Partisanentätigkeit zu
beschäftigen hatte. Ziel war es, die Auseinandersetzungen der Untergrundkämpfer mit
dem NKVD als den sozialen Kampf zwischen unterschiedlichen Klassen oder als einen Bürgerkrieg darzustellen. Damit sollte das Vorgehen der sowjetischen Organe als
Zwangsläufigkeit marxistisch legitimiert werden.
Zu einer wahren Flut an Veröffentlichungen kam es zu Beginn der siebziger Jahre –
einem Zeitpunkt also, da man sich in Form des „kulturellen Widerstandes“ gegen die
Sowjets zur Wehr zu setzen versuchte. Vor allem an den Universitäten Litauens und
anderer Sowjetrepubliken wurde der Versuch unternommen, mittels Dissertationen die
unmittelbare Nachkriegszeit zu beleuchten und während dieser Zeit stattgefundene Ge345 Gerutis, Albert, Lithuania. 700 years, New York 1984; Vardys, V. Stanley, Lithuania: The Rebel
Nation, Boulder 1997.
346 Žemaitienė, S.23 f.

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schehnisse als „Kampf der Kommunistischen Partei gegen den bürgerlichen Nationalismus“ zu beschreiben.347 Bezeichnend ist, daß die meisten dieser Doktorarbeiten –
obwohl von Litauern geschrieben – auf russisch erschienen. Als Angriffspunkte in diesen Arbeiten dienten die katholische Kirche und der bürgerliche Nationalismus. Mit
dem Verweis auf die Bourgeoisie sollte das geforderte Ziel, einen Klassenkampf nachzuweisen, erreicht werden. Demnach gelangte man durch den Sieg der sowjetischen
Organe über die „Banditen“ gemäß dem Historischen Materialismus zum Sozialismus
als der Vorstufe des Kommunismus.
b. Die „Istorija Litovskoj SSR“
In der im Jahre 1978 erschienenen „Istorija Litovskoj SSR“ wurde weiterhin der eingeschlagene Weg beschritten.348 Gegen die nationalistische Bourgeoisie und Spione Hitlers hätte seit dem Frühling 1941 erbittert vorgegangen werden müssen. Ohne den
Hitler-Stalin-Pakt zu erwähnen wurden die „reaktionären Elemente“349 als Handlanger
Hitlers bezeichnet, die eine große Rolle unter den „volksfeindlichen“ Kräften spielten.
Zusammen mit diesem kämpften sie gegen die Partisanen, als welche nur die sowjetischen Guerillakämpfer galten. Detailliert wurden die Sabotageakte des Untergrundes
aufgezählt, aber die erfolgreiche Behinderung von Wahlen und Sowjetisierungsmaßnahmen in Abrede gestellt. Lediglich bei der Kollektivierung wurde zugegeben, daß
die Opposition durch Terror und Einflußnahme auf die Landwirte vorübergehend den
Erfolg der Sowjets verhindert hätte.350 Immer wieder wird die Allianz der Kommunistischen Partei mit den Arbeitern und Bauern betont, die aktiv am Aufbau des Sozialismus mitgeholfen hätten.351 Auch durch ihren Dienst bei den „Volksverteidigern“
hätten sie letztlich einen wichtigen Beitrag zur „Liquidierung der bewaffneten Banden“352 geleistet. Schließlich sei das Gedankengut dieser „antisowjetischen Elemente“
nur in der geistlichen und ideologischen Sphäre übriggeblieben.353

347 Ermalavičjus, I. I., Bor´ba Kommunističeskoj Partii Litvy protiv političeskoj reakcii cerkvi v respublike v period stroitel´stva socializma (1945-1952 gg.), Leningrad 1971; Aničas, Ionas Juozanovič, Katoličeskij Klerikalizm v Litve v 1940-1952 gg., Vilnius 1972; Augus, A., Borb´ba
Kommunističeskoj Partii Litvy protiv buržuaznogo nacionalizma v gody stroitel´stva socializma v
respublike, Vilnius 1972; Laurinajtis, S., Periodičeskaja pečat´ Litovskoj SSR v bor´be protiv
buržuaznogo nacionalizma (1944.VII-1952 gg.), Vilnius 1972.
348 Istorija Litovskoj SSR. S drevnejšich vremen do našich dnej, Vilnius 1978.
349 Ebd., S.446.
350 Ebd., S.500.
351 Ebd., S.479.
352 Ebd., S.521.
353 Ebd., S.522.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

79

3. Die postsowjetische Geschichtsschreibung
a. Auf der Suche nach Identität
Eben diese „Elemente“ begannen sich im Jahre 1988 wieder zu artikulieren. Seit dieser
Zeit erschienen immer mehr Publikationen zum Partisanenkampf. Im Jahre 1991 wurde erstmals das Archiv des Freiheitskampfes (Laisvės kovų archyvas) herausgegeben,
das seitdem regelmäßig erscheint.354 Etliche Veteranen des Untergrundes veröffentlichten ihre Erinnerungen.355 Aber auch junge Historiker nahmen sich dieses Themas
an.
Nach Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit sah sich Litauen – wie all die
anderen neuen Staaten in Osteuropa – mit dem Problem konfrontiert, sich selbst zu
finden und seine Rolle in der Völkergemeinschaft, von der man lange Zeit ausgeschlossen war, zu definieren. Ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg suchte man nach
historischen Momenten, in deren Kontinuität zu stehen das Selbstbewußtsein des litauischen Volkes stärken würde. Zum einen galt die Schlacht bei Tannenberg (Grunwald,
litauisch: Žalgiris) im Jahre 1410, deren Ergebnis der Sieg über den Deutschen Orden
war, als Glanzpunkt historischer Bedeutung im Mittelalter. Firmen, Sportvereine,
Straßen, aber auch Produkte wurden nach diesem Ereignis benannt. Dagegen schien
zum anderen die Neuzeit eher von der Unterdrückung durch die Nachbarvölker gekennzeichnet. Doch wurde man schließlich bei der Untersuchung ihrer Abwehr fündig:
Neben Tannenberg wirkte nun der Partisanenkampf gegen die Sowjetunion identitätsstiftend. „Waldbrüder“ wurden zu Helden stilisiert, denen man Denkmäler errichtete.356 Zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung durch die LLKS am 16.
Februar 1949 konzipierte das Zentrum zur Untersuchung des Genozids und des Widerstandes der litauischen Bevölkerung (Lietuvos gyventojų Genocido ir Rezistencijos tyrimo centras), das in dem ehemaligen Gefängnis des NKVD/KGB untergebracht ist,
eine Ausstellung. Deren Exponate und Graphiken fanden Eingang in die äußerst umfangreiche Literatur, die in Litauen zu diesem Thema erschien.

354 Žemaitienė, S.24.
355 Žemaitienė (S.24) nennt beispielsweise die Memoiren von A. Ramanauskas-Vanagas (Daugel krito
sūnų, 1991), J. Lelešius-Grafas und L. Baliukevičius-Dzūkas (Dienoraščiai, 1994).
356 So wurde am 16. Februar 1999 gegenüber dem litauischen Verteidigungsministerium in Vilnius ein
Denkmal des Befehlshaber der LLKS, Jonas Žemaitis, enthüllt. (The Baltic Times, Nr. 4 (147),
25.2.–3.3.1999, S.6).

80

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

Außer populärwissenschaftlichen Abhandlungen waren es vor allem junge Forscher,
die die Zeit der sowjetischen Besetzung aufzuarbeiten begannen.357 Sie widmeten sich
bestimmten Gruppen innerhalb des Widerstandes oder explizit den Verfolgungen der
sowjetischen Staatssicherheitsorgane. Dadurch wurde von der Form der Gesamtdarstellung Abschied genommen; die Untersuchungen gingen nun mehr ins Detail. Auch
neue Medien wurden zur Verbreitung des Wissens über die Vorgänge im Baltikum zur
Jahrhundertmitte eingesetzt: So führt beispielsweise eine Seite im Internet die Tagesereignisse der Auseinandersetzung zwischen Litauern und Sowjets auf, die auch in
englischer Sprache abrufbar sind.358 Neben dieser Heroisierung der Partisanen regen
sich inzwischen auch Stimmen, die den Sinn und Erfolg dieses Kampfes in Frage stellen.
b. Die russische Geschichtswissenschaft am Scheideweg
Ganz anders stellt sich – erwartungsgemäß – der Stellenwert des litauischen Untergrundes in Rußland dar. Bedeutete der Anschluß an die Sowjetunion für Litauen das
Ende der Selbständigkeit, so war er für die Russen nur ein weiterer Streich Stalins
beim Ausbau der Sowjetmacht. Dementsprechend wird in den neuesten russischen Geschichtswerken diesem Ereignis nur wenig Platz eingeräumt.359
Nach dem Ende der Sowjetunion stellte sich für Rußland dieselbe Frage wie den anderen Ländern, die in die Unabhängigkeit entlassen wurden: Auf welche Bezugspunkte
der Geschichte konnte man zurückgreifen? Der schleppende Übergang zu einem demokratischen Rechtsstaat, der sich besonders auf der administrativen Ebene als äußerst
schwierig gestaltete und noch nicht abgeschlossen ist, wirkte sich auch auf die Geschichtswissenschaft aus. Es kam zu keinem Bruch mit der Vergangenheit: In den
siebzig Jahren der Sowjetherrschaft hatten sich Institutionen und Strukturen herausgebildet, von denen sich zu trennen nur mit mäßigem Erfolg gelang. Das lag daran, daß
dies von einem nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung gar nicht gewollt war.
Zwar verurteilte man die Verbrechen Stalins, doch war gleichzeitig stolz auf die Er357 Gaškaite, Nijolė, Pasipriešinimo istorija. 1944–1953 metai, Vilnius 1997; Starkauskas, Juozas,
Čekistinė Kariuomenė Lietuvoje 1955–1953 metais, Vilnius 1998; ders., The NKVD-MVD-MGB
Army, in: The Anti-Soviet Resistance in the Baltic States. S.46–61; Kasparas, Kęstutis, Lietuvos
karas. Antroji Sovietų Sąjungos agresija. Pasipriešinimas. Ofenzyvinės gynybos tarpsnis 1944 m.
vasara-1946 m. pavasaris, Kaunas 1999; Lietuvos laisvės kovos sąjūdis 1949–1999, Vilnius 1999;
Lietuvos Nacionalinio Muziejaus Biblioteka, Okupacijos, pasipriešinimas, tremtys. Lietuva 1794–
1953, Vilnius 1999; Žemaitienė, Nijolė, The Partisan War in Lithuania from 1944 to 1953, in: The
Anti-Soviet Resistance in the Baltic States. S.23–45.
358 Siehe http://www.elnet.lt/vartiklis/voruta/kronika/chronic1.htm.
359 Istorija Rossii s drevnosti do našich dnej: Posobie dlja postupajuščich v vuzy, Moskau 1998; Političeskaja istorija Rossii: Učebnoe posobie, Moskau 1998.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

81

rungenschaften der Sowjetunion: In dieser Zeit war schließlich das nationalsozialistische Deutschland besiegt worden, und es war gelungen, als erste Nation in den Kosmos

zu

fliegen.

Jedoch

erkannte

man

auch,

daß

die

Staatswirtschaft

zusammengebrochen war, was hauptsächlich den Reformbemühungen Gorbačevs angelastet wurde. Dieser Zwiespalt – einerseits festhalten an Altem, andererseits Sehnsucht nach Neuem – schlug sich eben auch in den Geisteswissenschaften nieder. Unter
Gorbačev wurde erstmals zugegeben, daß im Jahre 1939 zu dem Hitler-Stalin-Pakt
Geheimprotokolle abgeschlossen worden waren. Deshalb wird die Inkorporation des
Baltikums in der aktuellen Historiographie als „Okkupation“ bezeichnet.360 Doch begnügen sich die Gesamtdarstellungen damit, die sowjetische Terminologie lediglich in
Anführungsstriche zu setzen, ohne daß diese einer Neubewertung der Ereignisse unterzogen werden. Grund dafür ist mitunter, daß diese und ähnliche Themenbereiche kein
Interesse in der russischen Geschichtsschreibung finden: So existiert keine einzige
Monographie zum Widerstand gegen die Sowjetunion im Baltikum.
c. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ als Objekt der Forschung
Im Gegensatz dazu wurde den Umstände, wie es zum Aufstieg und Niedergang des
Sowjetimperiums gekommen ist, im Westen große Aufmerksamkeit zuteil. Zwar widmete man sich nicht explizit dem Problem der Sowjetisierung des Baltikums und dem
Widerstand dagegen, sondern untersuchte eher die Ergebnisse dieses Kampfes, die sich
in den stalinistischen Repressionen und den daraus resultierenden Deportiertenzahlen
niederschlugen. So erregte das Phänomen des Stalinismus größeres Interesse bei westlichen Historikern als damit im Zusammenhang stehende Ereignisse. Nach dem größten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit – der nationalsozialistischen
Rassen– und Ausrottungspolitik – erfuhren die zur selben Zeit stattfindenden Vorgänge in der Sowjetunion bald ebensolche Beachtung. Die Impulse dazu kamen aber zunächst aus den Reihen sowjetischer Dissidenten.
In seinem unter dem englischen Titel „Let history judge“ bekannt gewordenen Buch
setzte sich Roy Medvedev ausführlich mit dem Stalinismus auseinander.361 Als Schüler der sowjetmarxistischen Geschichtsschreibung tat er sich schwer mit der Beurteilung der Geschehnisse in der stalinistischen Sowjetunion, unter denen auch seine
Familie zu leiden hatte. So erwähnte und verurteilte er die Deportation der Kaukasusvölker;362 dieselben Vorkommnisse im Baltikum blieben unerwähnt. Wesentlich kriti360 Istorija Rossii s drevnosti do nađich dnej, S.637.
361 Mewedew, Roy, Das Urteil der Geschichte. Stalin und Stalinismus, 3 Bde., Berlin 1992.
362 Mewedew (Bd. 3), S.280 ff.

82

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

scher mit der gesamten sowjetischen Geschichte ging Dmitrij Volkogonov ins Gericht.
In seinem Werk über die Führer der Sowjetunion363 weist er die persönliche Verwicklung Stalins in die Repressalien gegen die Balten nach. Für den Terror gegenüber diesen Völkern fand er mit Blick auf das soeben erreichte Ende des Zweiten Weltkrieges
die lakonische Beschreibung: „Der Krieg ist zu Ende, der Krieg geht weiter...“364
Als im Jahre 1997 das „Schwarzbuch des Kommunismus“365 erschien, trat es eine –
teilweise emotional geführte – Diskussion über die Relativierung historischer Verbrechen los. Da der Vergleich geschichtlicher Ereignisse immer schwierig, wenn nicht
sogar historiographisch unsinnig ist, wird hier auf diese Auseinandersetzung im Zusammenhang mit den Vorgängen im Baltikum in der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht
näher eingegangen. Dennoch ist dieses Werk insofern interessant, als darin auf den
Kampf des NKVD gegen die Bevölkerung der westlichen Sowjetunion eingegangen
wurde. Auch hier wurde der eindeutige Nachweis geführt, daß Personen, die sich der
Unabhängigkeit ihrer Heimat verschrieben, planmäßig in die Weiten Sibiriens verschleppt wurden, um den Widerstand vor Ort zu brechen.366
Schließlich trug Erinnerungsliteratur dazu bei, das historische Problem der Sowjetisierung des Baltikums in das Blickfeld auch von Laien zu rücken. Für den deutschsprachigen Leser empfahl sich seit seinem Erscheinen im Jahre 1998 die
Autobiographie von Adelbert Lohr, der „als deutscher unter litauischen Partisanen“
lebte.367 Zwar schildert er die Vorgänge aus seiner Sicht als versprengter Wehrmachtssoldat, was eher die Ausnahme im Untergrund war, doch gibt er einen interessanten
Einblick in den Alltag und das Schicksal der „Waldbrüder“.
4. Die Aktenlage zum litauischen Partisanenkampf
Die Publikationsflut der neunziger Jahre im Baltikum über die Nachkriegszeit und im
Westen über den Stalinismus lag nicht allein am neuen Selbstbewußtsein der Litauer
oder dem Interesse an den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts. Ausschlaggebend
dafür war die Öffnung der Archive in der ehemaligen Sowjetunion. Vor allem in Litauen, wo recht schnell die Archive der Forschung zur Verfügung gestellt worden sind,
ist ein reicher Fundus an Akten und Dokumenten vorhanden. Dort gelang es weitest363
364
365
366
367

Volkogonov, Dmitrij, Sem´ voždej, 2 Bde., Moskau 1995.
Volkogonov (Bd. 1), S.276.
Schwarzbuch de83 Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror, München 1998.
Ebd., S.254.
Lohr, Adelbert, Waldameisen gegen Sowjetbär. Als Deutscher unter litauischen Partisanen, Berlin
1998.

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

83

gehend, den Abtransport von Archivalien durch die abziehenden Sicherheitsorgane zu
verhindern. Das verbliebene Material wurde im Litauischen Sonderarchiv (Lietuvos
ypatingasis archyvas/LYA) eingelagert oder direkt an das oben erwähnte Forschungszentrum abgegeben. Außerdem erarbeiteten litauische Historiker umfangreiche Quellensammlungen, die auf Aussagen von Gefangenen oder Unterlagen des KGB
basieren.368
Ganz anders verhält es sich mit der Verfügbarkeit von Akten, die in russischen Archiven eingelagert sind. Beispielsweise ist die Fondsstelle, die Dokumente des GUBB
bezeichnet, zwar in dem Archivführer des Russischen Staatsarchives verzeichnet, doch
liegt eine detaillierte Auflistung ihres Inhaltes nicht vor; die Stelle ist lediglich mit einem Sternchen gekennzeichnet.369 Dadurch wird darauf verwiesen, daß dieser Fonds
„geschlossen“, also nicht einsehbar ist, obwohl diese Abteilung des NKVD seit nunmehr fünfzig Jahren nicht mehr existiert. Dennoch gelang es durch Nachfragen bei
Mitarbeitern des Archivs, Einblick in die behandelten Unterlagen zu nehmen. Diese
sehr restriktive Handhabung von Aktenbeständen zur Geschichte der Sowjetunion erklärt sich aus der Unsicherheit der russischen Gesellschaft und Forschung im Umgang
mit der Vergangenheit. In einer Lage, wie sie sich im gegenwärtigen Rußland darstellt,
wo persönliche Bedürfnisse aus Gründen materieller Not nur selten befriedigt werden
können und der Staat, der im zurückliegenden Jahrzehnt die Weltmachtstellung verloren hat, keinen sicheren Rückhalt mehr bietet, ist man wenig interessiert daran, die
dunklen Kapitel der eigenen Geschichte zu beleuchten oder beleuchten zu lassen –
schon gar nicht von westlichen Wissenschaftlern. Deshalb erhält man als Antwort auf
die Frage, wann man mit der Öffnung der geschlossenen Fonds rechnen kann, nur ein
freundliches, aber verständnisloses Lächeln russischer Archivare und Forscher.

368 Lietuvos Kovų ir kančių istorija. Lietuvos gyventojų trėmimai 1941, 1945-1952 m. Dokumentų
rinkinys, Vilnius 1994; Aukštaitijos Partizanų Prisiminimai, Vilnius 1998.
369 Mironenko, S. V. (red.), Putevoditel´, tom 3, Fondy Gosudarstvennogo archiva Rossijskoj Federacii po istorii SSSR, Moskau 1997, S.335.

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Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

C. SCHLUSS
Das identitätsstiftende Moment des Partisanenkampfes für die Litauer ist teilweise auf
eine Überbewertung der Vorgänge in der Mitte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen.
Wie dargestellt worden ist, war der Zenit des Widerstandes bereits seit drei Jahren überschritten, als mit der Gründung der LLKS im Jahre 1949 noch ein letztes Aufbäumen zu beobachten war. Der Terrorapparat des NKVD hatte schon im Jahre 1946 den
Untergrundkämpfern große Verluste beigebracht und sie dadurch empfindlich geschwächt. Als besonders wirksam hatten sich die Befehle und Anordnungen Berijas
und Kobulovs aus dem Jahr 1945 erwiesen. Das Marodieren vereinzelter Truppen der
Roten Armee in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde abgelöst von einem planmäßigen Vorgehen gegen die „Banditen“. Trotz der Nachteile im Gelände gelang es den
sowjetischen Sicherheitsorganen, auf Grund ihrer logistischen Überlegenheit und der
militärischen Organisation nie wirklich gegenüber den „Waldbrüdern“ ins Hintertreffen zu geraten. So war es für die Partisanen ziemlich schwierig, ihren Vorteil zu nutzen, den sie aus der Kenntnis der Umgebung zu ziehen versuchten. Zwar ermöglichte
ihnen dieser vermeintliche Trumpf, über Jahre im Wald auszuharren und durch kleinere Angriffe die Sowjetisierung ihres Landes herauszuzögern; aber verhindern konnten
sie dadurch die Kollektivierung auch nicht, was ihnen den gegenwärtigen Vorwurf der
Passivität einträgt, mit der sie sich der alltäglichen Konfrontation mit den sowjetischen
Behörden zu entziehen suchten. Doch eben die Vergesellschaftung der Landwirtschaft
war es, die den Untergrundkämpfern den Todesstoß versetzte. Ihrer materiellen Basis
beraubt, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich nach und nach aus dem bewaffneten
Kampf zurückzuziehen. Bezeichnend für die Schwäche des Widerstandes in den letzten Jahren seiner Aktivität ist die Tatsache, daß das Ende des Partisanenkampfes mit
dem Tode Stalins im Jahre 1953 zusammenfallen soll. Zu einem Zeitpunkt, da einerseits die ganze Machtfülle im sowjetischen Staate in nur einer – der des Generalsekretärs – Hand konzentriert war, verursachte das Ableben des Diktators andererseits eine
instabile Situation im Lande, da unmittelbar danach ein Diadochenkampf unter seinen
Kronprinzen einsetzte. Als Innenminister und einer der möglichen Nachfolger Stalins
hatte Berija die ihm unterstellten Einheiten in der sowjetischen Hauptstadt zusammengezogen,370 um seinen Anspruch auf die Nachfolge des entschlafenen Generalsekretärs
und sein Drohpotential zu demonstrieren. Dies bedeutete eine eindeutige Konzentrati370 Rauch, S.499.
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

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on der Sicherheitsorgane auf die Vorgänge in Moskau. Natürlich konnte man nicht erwarten, daß durch diese Umorientierung der Berija-Truppen die verbliebenen Partisanen sofort die Oberhand in Litauen gewinnen würden, doch daß genau zu diesem
Zeitpunkt das Ende ihrer Kämpfe angesetzt wird, ist charakteristisch für die Wirkungslosigkeit des Widerstandes.
Diese Verlegung des Endes der Auseinandersetzung zwischen Sowjets und litauischem Untergrund auf das Jahr 1953, die vor allem in der litauischen Historiographie
verbreitet ist, ist daher fragwürdig. Auch die gängige Einteilung des Partisanenkampfes in drei Phasen – erste: Juli 1944 bis Mai 1946; zweite: Mai 1946 bis November
1948; dritte: November 1948 bis Mai 1953 –371 muß in diesem Zusammenhang überdacht werden. Das Problem der Periodisierung stellt nämlich nicht nur eine geschichtswissenschaftliche Schwierigkeit dar, sondern ist auch eine Frage nach dem
Selbstverständnis der litauischen Opposition gegen die Sowjetherrschaft. Je mehr Jahre man für den Guerillakrieg ansetzt, desto größer erscheint die Widerstandskraft des
litauischen Volkes. Doch sprechen die Akten dafür, daß das entscheidende Stadium in
diesem Konflikt bereits im Jahre 1946 erreicht war: Damals gelangen den sowjetischen
Einheiten grundlegende Schläge gegen ihre Widersacher. Danach konnten die Aktionen der Partisanen – wie Wahlboykotte oder Angriffe auf Kolchozen – die Sowjetisierung nicht mehr ernsthaft gefährden, sondern lediglich hemmen und dadurch
hinauszögern.
Dennoch ist der litauischen Widerstandsbewegung eine herausragende Stellung innerhalb der nationalen Oppositionen gegen die Sowjetmacht zuzubilligen. Denn sie
vermochte – im Gegensatz zu ihren ukrainischen, weißrussischen, lettischen oder estnischen „Schwestern im Geiste“ – sich für Jahre im Bewußtsein der sowjetischen Organe festzusetzen, wie die regelmäßigen Deportationsschübe verdeutlichen. Wohl
hauptsächlich der mangelnde Westkontakt und ein fehlender Führer waren Schuld daran, daß über das Schicksal der Litauer der Nachkriegszeit weniger bekannt wurde, als
über den Kampf der Organisation Ukrainischer Nationalisten (Orhanizacija
ukrains’kych nacionalistiv/OUN) unter ihrem legendären Führer Stepan Bandera, dem
schließlich die Flucht ins Ausland gelang, wo er über die Taten seiner Bewegung berichten konnte.
Da im Zuge der Totalitarismusforschung dem Stalinismus und damit auch dem Widerstand dagegen größere Beachtung geschenkt wird, wird man nicht umhin kommen,
sich eingehend mit den baltischen Untergrundbewegungen zu beschäftigen. Wie bei
371 Žemaitienė, S.28.

86

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

der Erforschung aller historischen Themenkomplexe kann die Untersuchung der sowjetischen Diktatur nur der Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit seinen Teilproblemen sein. Dadurch, daß man sich von unvoreingenommener Seite – hier kommt
diese Aufgabe vor allem nichtlitauischen und –russischen Forschern zu – diesem Problem widmet, kann es einerseits zu einer Entheroisierung, andererseits aber zu einer objektiven Beurteilung der baltischen Vorgänge in der Nachkriegszeit kommen. Erste
Anzeichen für einen wissenschaftlicheren Umgang mit diesem Teil der Geschichte
sind Arbeiten, die sich eben spezifischen Sachverhalten, Ereignissen, und deren strukturellen Ursachen zuwenden. Unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, sozialer oder
institutioneller Aspekte erschließt sich ein neuer, ungetrübterer Blick auf das konfliktreiche Verhältnis zwischen Herrschaft und Volk.
Neben diesem entmystifizierenden Effekt bietet die umfangreiche Aktenlage die
Chance zu einer Forschungskonzeption unter komparatistischen Gesichtspunkten.
Durch die Untersuchung ähnlicher Vorgänge in den baltischen oder westlichen Republiken der Sowjetunion kann man sich einen neuen Zugang zu den verschiedenen Voraussetzungen und Bedingungen in diesem geographischen Raum verschaffen. Die aus
dieser zeitgeschichtlichen Erforschung gewonnenen Erkenntnisse könnten dann auf
frühere Umstände und Gegebenheiten projiziert werden, was zur Klärung und zum
besseren Verständnis historischer Ereignisse beitrüge.
Dazu ist es aber unabdingbar, den Zugang zu den Archiven in diesen Ländern zu erleichtern oder überhaupt möglich zu machen. Auch wenn man aus – teilweise – verständlichen Gründen die Bearbeitung zunächst einheimischen Historikern überlassen
möchte, so sollte ausländischen Forschern zumindest eine Perspektive für ihre Arbeit
geboten werden. Diesbezüglich ist es notwendig, ein eindeutiges Archivgesetz zu erlassen und für seinen Vollzug zu sorgen. Will man sich glaubwürdig von der sowjetischen Vergangenheit lösen, so kann man nicht den Grundsatz einer „Gesetzmäßigkeit“
der Verschleierung fortführen. Gerade wenn man auf der Suche nach einer neuen Identität und Staatsidee mit der schwierigen Vergangenheit brechen möchte, ist eine Auseinandersetzung mit dieser unumgänglich. Doch ist der Bruch mit der eigenen
Geschichte nicht überall gewollt und damit nicht immer mehrheitsfähig: In Zeiten, in
denen die wirtschaftliche, soziale, aber auch psychologische Lage eines Volkes Schaden genommen hat, ist eine Rückbesinnung auf Epochen der eigenen Stärke wahrscheinlicher als Kritik an den jüngsten Ereignissen.
Dieser Zustand kann zur Zeit in Rußland beobachtet werden, wo die Kommunisten
– trotz Verlusten – die relative Mehrheit bei den Parlamentswahlen erreichen und –
Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

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unter Vernachlässigung der Irrungen und Wirrungen – auf die „glorreichen“ Seiten der
Vergangenheit verweisen. Doch auch die sogenannte „Rechte“ will sich nicht dem
Vorwurf der „Nestbeschmutzung“ aussetzen und verweigert – im Bereich der Nationalitätenpolitik und anderer Bereiche – einen kritischen Umgang mit der Geschichte. So
bleibt abzuwarten, wie sich die Entwicklung nach den Präsidentschaftswahlen in Rußland fortsetzt. Zwar befinden sich die Kommunisten inzwischen quasi in der Opposition, doch auch die „rechten“ Kräfte haben bisher den Willen zu großzügigerem
Umgang mit bislang verschlossenen Dokumenten vermissen lassen. Nach der Wahl
des ehemaligen Čekisten Putin und seinen jüngsten Personalentscheidungen, Geheimdienstveteranen an die maßgeblichen Hebel der Macht zu setzen, muß vermutet werden, daß die Archivalien der Ministerien für Inneres und Verteidigung noch länger
unter Verschluß bleiben.

88

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

D. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AABS

=

Association for the advancement of Baltic Studies

AK

=

Armia Krajowa – polnische Untergrundarmee

ALT

=

Amerikos Lietuvių Taryba

BDPS

=

Bendras Demokratinio Pasipriešinimo Sąjūdis – Vereinigte Demokratische Widerstandsbewegung

ČK

=

Črezvyčajnaja Komissija

DP

=

displaced person – ins Deutsche Reich Verschleppte oder Geflüchtete
nach dem Zweiten Weltkrieg

GARF

=

Gosudarstvennyj Archiv Rossijskoj Federacii

GPU

=

Gosudarstvennoe političeskoe upravlenie

GUBB

=

Glavnoe Upravlenie po bor’be c banditizmom

GUGB

=

Glavnoe Upravlenie Gosudarstvennoj Bezopasnosti

KGB

=

Komitet Gosudarstvennoj Bezopasnosti

LAF

=

Lietuvių Aktyvistų Frontas – Litauische Aktivistenfront

LAS

=

Litauische Aktivistenunion

LGK

=

Lietuvos gynimo komitetas – Litauisches Verteidigungskomitee

LF

=

Lietuvių Frontas – Litauische Front

LIK

=

Lietuvos Išlaisvinimo Komitetas – Litauisches Befreiungskomitee

LIT

=

Lietuvos Išlaisvinimo Taryba – Litauischer Befreiungsrat

LLA

=

Lietuvos Laisvės Armija – Litauische Freiheitsarmee

LLKS

=

Lietuvos Laisvės Kovų Sąjūdis – Litauische Freiheitskämpferunion

LPS

=

Lietuvos Partizanų Sąjunga – Litauische Partisanenunion

LT

=

Lietuvos Taryba – Litauischer Rat

LYA

=

Lietuvos ypatingasis archyvas – Litauisches Sonderarchiv

MGB

=

Ministerstvo Gosudarstvennoj Bezopasnosti – Staatssicherheitsministerium

MVD

=

Ministerstvo Vnutrennich Del – Innenministerium

NKGB

=

Narodnyj Komissariat Gosudarstvennoj Bezopasnosti – Volkskommissariat für Staatssicherheit

NKO

=

Narodnyj Komissariat Oborony – Volkskommissariat für Verteidigung

NKVD

=

Narodnyj Komissariat Vnutrennich Del – Volkskommissariat für Innere
Angelegenheiten

OBB

=

Otdel po bor’be s banditizmom – Abteilung zur Bekämpfung des Banditentums

OUN

=

Orhanizacija ukrains’kych nacionalistiv – Organisation Ukrainischer Nationalisten

RPG

=

Razvedyvatel’no-poiskovaja gruppa – Aufklärungsspähgruppe

Smerš

=

Smert’ špionam

TDA

=

Tautino Darbo apsaugo – Verteidigung der Nationalen Arbeit

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

89

VLIK

=

Vyriausias Lietuvos Išlaisvinimo Komitetas – Oberstes Litauisches Befreiungskomitee

VLK

=

Vyriausias Lietuvos Komitetas – Oberstes Litauisches Komitee

VKOL

=

Verchovnyj Komitet Osvoboždenija Litvy – Oberstes Litauisches Befreiungskomitee

90

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

E. QUELLENVERZEICHNIS
Aukštaitijos Partizanų Prisiminimai, Vilnius 1998.
GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 440.
GARF f. 9478 s, op. 1 s, d. 543.
Izvestija, Nr. 222 (11911), 18.9.1955.
Lietuvos Kovų ir kančių istorija. Lietuvos gyventojų trėmimai 1941, 1945–1952 m.
Dokumentų rinkinys, Vilnius 1994.
LYA. Ap. 46. B. 3878.
NKVD: dokumenty, auf: http://www.memo.ru/history/NKVD/STRU/by_year.htm
(30.01.00, 18:25).
Sovetskaja Litva, Nr. 69 (3875), 22.3.1956.
U. S. House of Representatives, 83rd Cong., 2nd sess., Third Interim Report of the
Select Committee on Communist Aggression, Washington, D.C., 1954.

Osteuropa-Institut München: Mitteilungen 44/2001

91

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Association for the advancement of Baltic Studies (motivation plans). – Bulletin of Baltic Studies, N. 1,
New York 1970.
Augus, A., Borb’ba Kommunističeskoj Partii Litvy protiv buržuaznogo nacionalizma v gody
stroitel’stva socializma v respublike, Vilnius 1972. [Autorenreferat]
Broszat, Martin, Die nationale Widerstandsbewegung in Litauen im Zweiten Weltkrieg (1941–1944), in:
Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte, Band II, Stuttgart 1966. S. 311–328.
Dahms, Hellmuth G., Litauen zwischen den Großmächten 1919–1945, in: Jahrestagung 1987, hrsg. v.
V. Litauischen Kulturinstitut, Lampertheim 1988. S. 55–112.
Daumantas, Juozas, Fighters for Freedom: Lithuanian partisans versus U.S.S.R., Toronto 1988.
[Neudruck]
Ermalavičjus, I. I., Bor’ba Kommunističeskoj Partii Litvy protiv političeskoj reakcii cerkvi v respublike
v period stroitel’stva socializma (1945–1952 gg.), Leningrad 1971. [Autorenreferat]
Gaškaite, Nijolė, Pasipriešinimo istorija. 1944–1953 metai, Vilnius 1997.
Gerutis, Albert, Independent Lithuania, New York 1969.
ders., Occupied Lithuania, New York 1969.
ders., Litauischer diplomatischer Dienst nach der Besetzung Litauens durch die Sowjetunion, in: Acta
Baltica 18 (1978). S. 116–155.
ders., Pulk. Kazys Škirpa. Sukilimo Inspiratorius, London 1981.
ders., Lithuania. 700 years, New York 1984.
Handrack, Hans-Dieter, Das Reichskommissariat Ostland. Die Kulturpolitik der deutschen Verwaltung
zwischen Autonomie und Gleichschaltung, 1941–1944, Hannoversch–Münden 1981.
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